Schließtag für immer

In jeder vierten bayerischen Gemeinde gibt es mittlerweile überhaupt keine Gaststätte mehr

  • Kathrin Zeilmann, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Zu einem bayerischen Dorf gehören eine Kirche und ein Wirtshaus für den Stammtisch, den Frühschoppen und den Sonntagsbraten. Doch gerade in Regionen, die mit Landflucht zu kämpfen haben, schließen die Dorfgaststätten. Alternativen? Vereinsheime statt Wirtshauskultur.

Franken/Guttenberg. Die Eger schlängelt sich plätschernd durch das Dorf, die Mittagssonne scheint. Im Dörfchen Franken im Fichtelgebirge sieht es nach ländlicher Idylle aus. Man kann sich gut vorstellen, dass sich hier abends die Menschen bei einem Feierabendbier im Wirtshaus treffen. Oder, dass Ausflügler sich im Biergarten stärken. Nur: In Franken gibt es kein Gasthaus mehr. Das Gebäude steht zwar noch, doch hier hat schon lange niemand mehr getrunken und gegessen.

Die Vorhänge sind vergilbt, der Putz bröckelt ab. Der Kasten, in dem einst die Speisekarte hing, ist leer. Franken, das seit einer Gebietsreform zur Stadt Weißenstadt (Landkreis Wunsiedel) gehört, ist kein Einzelfall mehr in Bayern: In rund 500 von 2200 Gemeinden gibt es nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes mittlerweile überhaupt keine Gaststätte mehr.

»Das Wirtshaus hat schon lange zu«, ruft ein älterer Mann, als er das Auto sieht, das vor dem Gebäude parkt. Und eine Erklärung liefert er auch gleich mit: »Es geht ja niemand mehr hin, die jungen Leute ziehen alle weg.« Das kann auch Günter Schill, Geschäftsleiter im Rathaus Weißenstadt, bestätigen. »Früher war der Ort einfach noch dichter besiedelt.« Seit mehr als zehn Jahren schon sei das Gasthaus in Franken geschlossen.

Einst gab es in dem Dorf - wie auch in vielen anderen Orten des Fichtelgebirges - eine Fabrik. Die Arbeiter holten sich aus der gasthauseigenen Metzgerei ihre Brotzeit, abends saßen sie am Stammtisch, am Sonntagvormittag beim Frühschoppen. Heute ist die Industrie nahezu verschwunden, die Zahl der Einwohner in Franken auf knapp 100 gesunken. Die Landflucht trifft den Landkreis Wunsiedel mit voller Härte.

Die verbliebenen Bewohner wissen sich zu helfen: Die Feuerwehr habe im Dachgeschoss des Gerätehauses einen Schulungsraum eingerichtet, sagt Schill. Aber auch die Feuerwehrleute werden von gravierenden Nachwuchssorgen geplagt. Den anderen Vereinen gehe es nicht besser.

35 Kilometer weiter: In Guttenberg im Landkreis Kulmbach gibt es ein Wirtshaus - noch. Denn Pächter Uwe Böhnke gibt auf. Nicht, weil in dem 570-Einwohner-Ort zu wenig Gäste kämen. Die Energiekosten seien einfach zu hoch, um rentabel wirtschaften zu können, sagt Böhnke. »Die Kostenexplosion verhagelt alles.« Das Haus, das er von einer Brauerei gepachtet hat, sei energetisch auf dem Stand der 1960er Jahre. Bürgermeister Eugen Hain hofft, dass die Brauerei wieder einen Pächter findet und die Gaststätte nicht komplett schließen muss: »Dem Ort würde sonst etwas fehlen.« Viele Vereine in Guttenberg hätten zwar Vereinsheime, um sich zu treffen, und würden diese bei Bedarf auch für andere Gruppierungen zur Verfügung stellen. »Aber eine öffentliche Gaststätte kann das natürlich nicht ersetzen.«

Und noch einen Grund gibt es, weshalb in Bayern Gasthäuser schließen: Nachwuchsmangel in der Branche. In Hetzendorf (Landkreis Bayreuth) werden die Wirtsleute Christiane und Georg Wirth zum 1. Mai für immer zusperren - »aus Altersgründen«, erzählt Georg Wirth. Das Paar hat zwar zwei Töchter, doch die gehen anderen Berufen nach. Und dann klingt doch Wehmut mit, wenn Wirth davon erzählt, wie sich einst der Stammtisch traf und die Jagdgenossenschaft bekocht wurde: »Es war eine schöne Zeit.«

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