Bart jeder Vernunft

Amnesty-Bericht beklagt Diskriminierung von Islam-Gläubigen in Europa

  • Thomas Mell
  • Lesedauer: 2 Min.
Muslime werden in Europa aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts diskriminiert, sagt Amnesty International (AI) in einer neuen Untersuchung. Die Politik müsse mehr tun, um negativen Stereotypen oder Vorurteilen insbesondere in Bildung und Beschäftigung entgegenzuwirken.

Muslimische Frauen und Mädchen, die traditionelle Kleidung wie das Kopftuch tragen, würden auf dem Arbeitsmarkt oder in Schulen benachteiligt, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten AI-Bericht. Männer müssten eines islamisch anmutenden Bartes wegen mit der Entlassung rechnen. »In vielen Ländern Europas ist die Ansicht verbreitet, dass der Islam akzeptabel ist, solange Muslime nicht allzu sichtbar sind«, äußerte Marco Perolini, der AI-Experte in Fragen der Diskriminierung.

Der Bericht betrachtet die Situation der Muslime in fünf europäischen Staaten: Belgien (laut AI lag dort 2010 der Anteil von Muslimen bei sechs Prozent), Frankreich (7,5 Prozent), den Niederlanden (5,5 Prozent), Spanien (2,3 Prozent) und der Schweiz (5,7 Prozent). Dazu wurden insgesamt mehr als 200 Interviews unter anderem mit Diskriminierten, Vertretern gesellschaftlicher Organisationen, Politikern und Behörden durchgeführt.

AI kritisiert Belgien, Frankreich und die Niederlande dafür, dass es zwar Gesetze gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt gibt, diese aber nicht vollständig greifen. So sei es für Arbeitgeber möglich, religiöse oder kulturelle Merkmale zu verbieten, wenn sie befürchten, dass ihre Firma dadurch Schaden nehmen könnte. »Religiöse und kulturelle Symbole und Kleidung zu tragen gehört zum Recht der freien Meinungsäußerung«, urteilt Perolini. »Es ist Teil der Religions- und Glaubensfreiheit - und diese Rechte stehen allen Glaubensrichtungen zu.«

Der AI-Experte warnt andererseits, niemand dürfe dazu gezwungen werden, religiöse Kleidung zu tragen. Doch grundsätzliche Bestimmungen - wie die als Burka-Verbot bekannt gewordenen Gesetze in Frankreich und Belgien - seien der falsche Weg. Nicolas Beger, Direktor des EU-Büros von Amnesty International, sagte gegenüber »nd«, dass solche Maßnahmen insbesondere in Bezug auf muslimische Frauen »unproportional« seien. In manchen Berufen, zum Beispiel bei Polizisten, sei der Ausschluss religiöser Symbolik aber gerechtfertigt.

Der Bericht konstatiert, dass es Muslime schwer haben, ihre Religion zu praktizieren. Der Schweiz wird die Verfassungsänderung vorgeworfen, wonach keine neuen Minarette mehr gebaut werden dürfen. Bei einer Volksabstimmung im November 2009 hatten sich 57 Prozent der Teilnehmer für das Verbot ausgesprochen. Die Eidgenossen kämen damit ihren internationalen Verpflichtungen nicht nach, anti-islamische Stereotype würden verfestigt. Ein »strukturelles Problem« in ganz Europa wäre, dass »diskriminierende Rede salonfähig« geworden sei und dass eine »Dämonisierung« des Islams stattfinde, sagte Beger.

Im AI-Bericht wird eingeräumt, dass Diskriminierung aufgrund der Religion nicht nur Muslime betrifft.

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