Mobilitätsarmut in Rot-Grün

SPD und Ökopartei wollen kein bezahlbares ÖPNV-Sozialticket

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie viel darf ein ÖPNV-Sozialticket kosten, das diesen Namen auch verdient? 30 Euro, sonst wird es zu teuer für die öffentliche Hand, sagt Rot-Grün. 15 Euro, sonst kann es kein von Armut Geplagter bezahlen, fordern hingegen die LINKE und Erwerbslosen-Aktivisten.
Insbesondere weil Rot-Grün sich nicht auf die Linkspartei zubewegte, scheiterten die Verhandlungen um den Landeshaushalt 2012 – die LINKE wollte ihn so nicht passieren lassen. Dass Rot-Grün nicht ernsthaft an Zugeständnisse dachte, erkennt man an Aussagen der Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, die unlängst betonte, die Haushaltsverhandlungen seien einzig »an der Zockerei der FDP gescheitert«, dem zweiten potenziellen Mehrheitsbeschaffer der Minderheitsregierung. Kein Wort über die angeblich so gierige LINKE.

Die fehlende Mehrheit für den Haushalt hatte die sofortige Auflösung des Landtages und die kommenden Neuwahlen zur Folge. Ob das ein Betriebsunfall war oder rot-grünes Ziel, darüber streiten die Gelehrten noch. Jedenfalls, so rechnet LINKE-Landessprecher Hubertus Zdebel vor, hätte ein 15-Euro-Ticket in diesem Jahr Mehrkosten von lediglich 35 Millionen Euro erzeugt, während die Neuwahl den Steuerzahler nun 45 Millionen Euro koste.

Die 35 Millionen Euro wären gut angelegt. »Seit Hartz IV bedeutet Arbeitslosigkeit für die meisten Betroffenen ein Leben in oder am Rande der Armut. Das ist gerade im Ruhrgebiet an allen Ecken zu spüren«, sagt Heiko Holtgrave vom Bündnis der Sozialticket-Initiativen im Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR). Armut bedeute ständige Einschränkung, unter anderem auch hinsichtlich der Mobilität.

Zwar habe die rot-grüne Landesregierung auf Druck der Betroffenen und gegen Widerstand zahlreicher SPD-Kommunalpolitiker ein Förderprogramm aufgelegt, das die Einführung von Sozialtarifen im ÖPNV unterstütze. Doch ein zum 1. November 2011 als Pilotprojekt eingeführtes VRR-»Sozialticket« verdient aus Holtgraves Sicht den Namen nicht. Es sei zu teuer und habe eine zu kurze Reichweite. Zudem ist der diskriminierende Aufdruck »Sozialticket« auf der Plastikkarte. »Ein Alibiangebot, zum Scheitern verurteilt.« Entsprechend niedrig sei die Zahl der Nutzer. 850 000 Menschen könnten das Sozialticket beantragen – Hartz-IV-Betroffene, Asylbewerber, Geringverdienende und Hartz-IV-Aufstocker sowie Menschen, die eine schmale Rente beziehen. Doch nur 4,2 Prozent der Berechtigten, so rechnet Holtgrave vor, gönnen sich das Pseudo-»Sozialticket«.

Für Holtgrave, der für das Institut für soziale und ökologische Planung »Akoplan« arbeitet, ist das kein Wunder: Das rot-grüne »Sozialticket« koste immerhin 29,90 Euro im Monat. Im Hartz-IV-Regelsatz sind jedoch lediglich 18,41 Euro für Mobilität vorgesehen. »Da besteht eine Differenz von 11,50 Euro. Sollen sich Hartz-IV-Empfänger die 11,50 Euro vom Munde absparen, um wenigstens im eigenen Stadtgebiet mobil zu sein?«

Die Sozialticket-Initiativen lassen nicht locker: Mit Aktionen, Diskussionen und Stellungnahmen tragen sie ihre Forderung nach einem bezahlbaren Ticket immer wieder in die Öffentlichkeit. Auch für die Linkspartei bleibt das Sozialticket eine von vier zentralen Wahlkampfforderungen.


Der Artikel ist Bestandteil einer Wahlbeilage zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Inhalt der Beilage wird u.a. sein:

»50 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen« - LINKE-Wahlkampfleiter Hubertus Zdebel über Chancen im Endspurt

Der Soli Ost als Sündenbock - Viele schräge Töne hört man beim Wahlkampfhit Kommunalfinanzen

Faktisch regiert der Rotstift - Zwei Jahre rot-grüne Minderheitsregierung – 
eine Bilanz

Hauptsache: Internet! - Die Piraten beeinflussen der Wahlkampf der Altparteien

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