Journalismus als Notwehr

Neue »Bild«-Studie

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Kommenden Freitag könnte die Redaktion der »Bild« einen der begehrten Henri-Nannen-Preise für ihre Berichterstattung über die »Causa Wulff« erhalten. Schon die Nominierung ist eine Auszeichnung für die »Bild«, die mit der Veröffentlichung über die Finanzaffären des damaligen Bundespräsidenten 2011 für Aufsehen sorgte.

In der Studie »Bild und Wulff - Ziemlich beste Partner« wird allerdings bezweifelt, dass das Springer-Boulevardblatt zu Recht ausgezeichnet würde. Die Zeitung sei weniger treibende Kraft als »eine Getriebene« bei der Aufklärung der Kreditaffäre Christian Wullfs gewesen, sagen die beiden Autoren der von der Otto-Brenner-Stiftung herausgegebenen Studie, Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz. »Bild« sei in den Dezembertagen aus Eigennutz anderen Medien zuvorgekommen, habe »Journalismus als Notwehr« betrieben. Das Blatt habe nämlich in einer Zeit, »in der Christian Wulff geschnorrt, möglicherweise das Parlament getäuscht und gegen das Ministergesetz (Verbot der Annahme zinsgünstiger Darlehen durch Regierungsmitglieder, d. Red.) verstoßen hat«, den Politiker »in einer Endlosschleife als den wunderbarsten und erfolgreichsten Politiker gepriesen«. Konsequenterweise hätte »Bild« in der regelmäßigen Auflistung der »engsten Freunde Wulffs« auch sich selbst nennen müssen. Als Wulff schließlich »Bild«-Chefredakteur Kai Diekmann telefonisch drohte (sogenannte Mailboxaffäre), habe der damalige Bundespräsident in der Tat davon ausgehen müssen, dass zwischen ihm und »Bild« keine übliche Beziehung zwischen Politiker und Journalisten bestanden habe, sondern eine Geschäftsbeziehung.

Für die 84-seitige Untersuchung haben Arlt und Storz die Berichterstattung der »Bild« über Christian Wulff über einen Zeitraum von sechs Jahren und insgesamt 1528 Meldungen auf der Online-Ausgabe der Zeitung »bild.de« ausgewertet. Ihr Fazit: »›Bild‹ macht vielleicht dumm, dumm gemacht ist sie nicht«. Die Zeitung verfolge weniger ein journalistisches Konzept, auch wenn sich die Redaktion in der Berichterstattung über die »Causa Wulff« journalistischer Methoden bedient habe. Die Strategie der Redaktion sei vielmehr davon geprägt, »höchstmögliche öffentliche Aufmerksamkeit so zu erregen, dass ›Bild‹ selbst dabei am besten und prominentesten wegkommt.«

In diesem Sinne, so muss man nach der Lektüre der Studie schlussfolgern, ist »Bild« weniger ein journalistisches, denn ein Marketingprodukt. Die Autoren der Studie, selbst Journalisten mit langjähriger Berufserfahrung (Arlt war u.a. Redakteur bei den »Nürnberger Nachrichten«, Storz Chefredakteur der »Frankfurter Rundschau«), sprechen dem Springer-Blatt in dem Sinne eine Vorbildfunktion zu. »Bild« sei zum Leitmedium nicht wegen seiner Berichterstattung geworden, sondern »weil sich das Mediensystem unter den Zwängen des Marktes weiterentwickelt und der ›Bild‹-Strategie zunehmend recht gibt«. Wer auf dem Markt erfolgreich sein wolle, müsse auf tradierte Tugenden des Journalismus wie Objektivität oder gründliche Recherche verzichten.

www.bild-studie.de

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