Brutales Pokerspiel
Den Griechen wird auch auf dem EU-Gipfel gedroht: Weiter mit der Kürzungspolitik oder Rauswurf aus dem Euro
Griechen können Europa retten - wenn sie bei der Wahl am 17. Juni die brutalen Kürzungsorgien abwählen. Die maßgeblich von der deutschen Kanzlerin den südeuropäischen Ländern aufgezwungenen Sozial- und Rentenkürzungen sowie die Schnitte bei den Löhnen führen die betroffenen Länder und letztlich ganz Europa in den Abgrund.
In Griechenland kann man die Wirkungen der Kürzungspolitik am deutlichsten sehen: Die Wirtschaft ist seit 2010 mit minus zehn Prozent auf rasanter Talfahrt. Und eine Wende zum Besseren ist 2012 nicht erkennbar. Auch in den anderen Krisenländern, etwa in Italien und Spanien, zeigt sich, dass die »bittere Medizin« in Wirklichkeit Gift ist.
Mit der Strangulierung der Wirtschaft, mit einer verringerten Reichtumsproduktion brechen die Steuereinnahmen noch schärfer ein, als durch die Kürzungen »gespart« wurde. So geraten die Länder in einen immer tieferen und rasanteren Schuldenstrudel, den die deutsche Regierung und die EU mit weiteren, die Blutspur nur verbreiternden Kürzungen bekämpfen wollen.
Dem griechischen Volk wird gedroht, auch jetzt wieder auf dem EU-Sondergipfel: Wenn ihr die Kürzungspolitik abwählt, dann stoppen wir die Kredite und es droht der Staatsbankrott und der Rauswurf aus dem Euro. Besonders gewarnt wird vor der griechischen Linken, vor SYRIZA, denn sie will die bestialische Austeritätspolitik stoppen.
SYRIZA und ihr Vorsitzender Alexis Tsipras lassen sich von den wüsten Drohungen nicht schrecken. Er glaubt nicht, dass Europa den Geldhahn zudreht. Denn: Die Gefahren für die anderen Länder sind massiv. Es würde ein Finanzkollaps drohen, Spanien und Italien wären unmittelbar die nächsten Kandidaten, die sich nicht mehr finanzieren könnten. Kein europäischer Rettungsring kann dann helfen, weil diese Länder viel zu groß sind. Mit dem Fall Griechenlands würde der Euro kollabieren.
Nicht nur die Griechen müssten die Drachme dann wieder einführen, sondern auch die Deutschen eine neue nationale Währung. Diese würde abrupt um 30 bis 40 Prozent aufwerten. Schlagartig wäre die Wettbewerbsfähigkeit großer Teile der deutschen Exportwirtschaft dahin. Das Bruttoinlandsprodukt würde um sieben bis neun Prozent abstürzen. Eine Million Arbeitsplätze, wenn nicht noch mehr wären gefährdet.
Dieser Mechanismus ist auch deutschen Politikern bekannt. Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte mir auf die Frage, was geschehe, wenn eine Regierung sich nicht der deutschen Erpressung ergebe: »Die Lage ist wie früher im Kalten Krieg. Es herrscht ein Gleichgewicht des Schreckens.« Der Vergleich ist zwar etwas schräg, Schäuble ist sich jedoch bewusst, dass es sich faktisch um ein brutales Pokerspiel handelt. Bislang saß er immer auf der Seite der Gewinner, auf der Seite derjenigen, die geblufft haben.
Die Genossinnen und Genossen von SYRIZA fallen darauf nicht herein. Und das griechische Volk hoffentlich auch nicht mehr. Notwendig ist der sofortige Stopp der Kürzungspolitik. Stattdessen müssen Aufbauprogramme hoch- gefahren werden. Die LINKE in Deutschland fordert hierzu ein europäisches Programm in Höhe von 360 Milliarden Euro. Finanziert werden könnte dies durch eine europaweite massive Vermögensabgabe. Nur mit einer derartigen Kehrtwende können die Krisenländer vor dem weiteren Absturz gerettet werden und damit letztlich auch Europa.
Der Widerstand des griechischen Volkes und ihre Wahl für SYRIZA entscheiden über ihre und unsere Zukunft.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.