Reise in die Welt der Hungerproduzenten

Stefano Liberti hat die Folgen des Landraubs auf drei Kontinenten unter die Lupe genommen

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Landgrabbing (Landraub) ist ein heiß diskutiertes Feld in der Entwicklungspolitik. Der renommierte italienische Journalist Stefano Liberti hat sich auf drei Kontinenten über die Folgen dieses neuen entwicklungspolitischen Konfliktes kundig gemacht und ein lesenswertes Buch geschrieben.
Protest gegen Landraub am Wochenende in Frankfurt
Protest gegen Landraub am Wochenende in Frankfurt

Awassa heißt der Ort rund 300 Kilometer südlich von Addis Abeba, wo rote Tomaten, pralle Auberginen, grüne Zucchini oder rote Paprika in langen Glastunneln einheitlich in Form und Farbe für den Supermarkt oder die Restaurants in Dubai reifen. 24 Stunden braucht die frische Ware aus dem High-Tech-Gewächshaus im äthiopischen Rift Valley bis zum Endverbraucher in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien.

Jittu Horticulture Plc. heißt das Unternehmen, das mit Know-how aus Holland und Spanien gentechnisch optimierte Gemüse für die Konsumenten in den an Agrarflächen nicht eben reichen Golfstaaten produziert. Ganz legal und auf Einladung der Regierung in Addis Abeba, die 2007 begann, internationalen Anlegern langfristige Pachtverträge für fruchtbare Ackerböden in dem ostafrikanischen Land anzubieten.

Am Horn von Afrika sind es vornehmlich indische Investoren und solche aus den Golfstaaten, die rund eine Million Hektar Ackerland gepachtet haben. Eine Anbaufläche, die in naher Zukunft auf drei Millionen Hektar, etwa die Größe Belgiens, ausgebaut werden soll. Dabei sind die Pachtzinsen so unschlagbar günstig, dass Äthiopien zu einem Eldorado für Agrarinvestoren geworden ist.

Weltweit entstehen immer mehr Treibhäuser und Nahrungsmittelfabriken in Entwicklungsländern, um Lebensmittelengpässe zu vermeiden, wie sie infolge der Nahrungsmittelkrise 2008 auftraten. Ein Nein aus den Lieferländern will man am Golf, aber auch in Indien, China und anderen Ländern nicht mehr hören und so wird investiert und Land rund um den Globus gepachtet, um auch morgen Gemüse, Zuckerrohr, Getreide, Tee oder Reis in ausreichender Menge zu kalkulierbaren Preisen beziehen zu können.

Auf die Fährte dieser international agierenden Agrarunternehmen hat sich der italienische Journalist Stefano Liberti geheftet. Er hat den weltweit größten integrierten Milchverarbeitungsbetrieb besucht, der sich mitten in der Wüste befindet, und sich mit dem Investitionsgebaren der Golfstaaten beschäftigt. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen Saudi Arabien und dem Emirat Katar, denn letzteres setzt auf ein System, das für alle funktioniert. Direkte Kooperation mit den Bauern, die Versorgung der lokalen Märkte und nicht nur der Export ins ferne Doha. Doch nicht nur in den von Lebensmittelimporten abhängigen Golfstaaten hat Liberti recherchiert, sondern auch an der Nahrungsmittelbörse in Chicago und in Genf. Dort beschäftigen sich immer mehr Fonds und multinationale Gesellschaften mit dem Wettlauf um Anbauflächen. Auch dort hat der italienische Journalist es geschafft, die Akteure vor das Mikrofon zu bekommen und ihnen klare Statements zu entlocken. So kommt Licht ins Dunkel der komplexen Strukturen des globalen Landkaufs, der in den letzten Jahren zu einem neuen Phänomen des globalen Handels geworden ist.

Für die Bauern, für die Länder, die die Anbauflächen zur Verfügung stellen, kann dieses Phänomen zur Katastrophe werden - aber auch für die Natur, denn aus Wald wird schnell Ackerland, wie das Beispiel eines holländischen Investors in Tansania zeigt. Für Liberti ist der Konflikt zwischen Bauern und großem Kapital derjenige, der über die Zukunft unseres Planeten entscheiden wird.

Stefano Liberti: Landraub - Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus, Rotbuch Verlag, 255 Seiten, aus dem Italienischen von Alex Knaak, 19,95 Euro.

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