Ich will eine Kampfkandidatur vermeiden

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Sahra Wagenknecht ist Vizevorsitzende der Linkspartei und 1. Stellvertreterin des Linksfraktionschefs im Bundestag. Als Kandidatin für den Parteivorsitz ist sie im Gespräch, ohne bisher ihre Bereitschaft erklärt zu haben. Mit ihr sprach Uwe Kalbe.
Ich will eine Kampfkandidatur vermeiden

nd: Sie werden mit dem Wunsch zitiert, die LINKE brauche Personal, das sie attraktiv und öffentlichkeitswirksam vertritt. Das klingt nach Eigenwerbung, wenn ich mal mit der Tür ins Haus fallen darf.
Wagenknecht: Ganz und gar nicht, wir müssen uns mit unserem Personal nicht verstecken.

Gerade auf Ihre Person richten sich allerdings viele Hoffnungen in der Partei.
Ich möchte einen Showdown auf dem Parteitag vermeiden, also eine Kampfkandidatur mit knappem Ergebnis, wo am Schluss ein Teil der Partei besiegt vom Platz geht.

Ein Konsens der beiden Flügel, wäre das nicht mit einem Tandem Wagenknecht/Bartsch bestens zu erreichen?
Zwei Vorsitzende ohne wirkliches Vertrauensverhältnis sind keine Lösung. Wir hatten in der Partei zuletzt viele Streitigkeiten, aber wenigstens waren die beiden Vorsitzenden für die Öffentlichkeit ein Team. Jetzt muss es besser werden, nicht schlechter.

Dietmar Bartsch hat die Integration der Partei als wichtige Aufgabe der neuen Führung genannt. Sehen Sie das anders?
Das ist eine wichtige Aufgabe der neuen Vorsitzenden. Allerdings kann nur integrieren, wer auch getragen wird. Wer eine Kandidatur ohne Rücksicht auf Verluste durchkämpft, obwohl ihr erkennbar große Teile der Partei im Westen ablehnend gegenüberstehen, zwingt die Partei faktisch in eine Showdown-Situation. Das ist in meinen Augen das Gegenteil von Integration.

Eine Lösung wäre also, wenn Bartsch seine Kandidatur zurückzieht. Das ist immer noch die Lafontainesche Variante. Und die hat Bartsch schon ausgeschlossen.
Wenn die Partei nicht zusammenfindet, können wir auch nicht auf den Zuspruch der Wähler hoffen. Dieser Verantwortung sollte sich jeder bewusst sein. Ich jedenfalls wünsche mir einen personellen Kompromiss jenseits der bisherigen Konfliktlinien.

Vor welchen Aufgaben steht die neue Führung?
Eine Lage zu schaffen, in der Ruhe einkehrt, sachliche Strategiedebatten möglich sind, aber die öffentlichen Denunziationen aufhören. Nur dann gibt es eine Chance, wieder für unsere inhaltlichen Positionen zu werben - zum Mindestlohn, zum Verbot der Leiharbeit, für unsere Alternativen zur Lösung der Eurokrise. Erst wenn die Menschen wieder spüren, dass wir uns für sie einsetzen, statt unsere Kräfte in selbstzerstörerischen Kämpfen zu verausgaben, werden wir Vertrauen zurückgewinnen.

Hat die bisherige Führung ihre Aufgaben in dieser Hinsicht erfüllt?
Nach meinem Eindruck hatte sie keine Chance dazu. Wer gewählt ist, muss sich auf die Solidarität der Partei stützen können. Selbst, wenn er einmal Fehler macht. Klaus Ernst und Gesine Lötzsch dagegen wurden vom Tag ihrer Wahl an aus der eigenen Partei demontiert.

Welche Fehler meinen Sie? Wege zum Kommunismus zu diskutieren?
Wer darin einen Fehler sah, hätte das Gesine im persönlichen Gespräch sagen können. Ich weiß nicht, warum einige es nicht lassen können, die eigenen Genossen in den Medien zu beschädigen, und glauben, das bringe die Partei voran.

Dem Parteitag in einer Woche liegt ein alternativer Leitantrag vor, Sie verteidigen den des Vorstands. Warum?
Weil ich diesen für den Antrag halte, der unsere Positionen zur Finanzkrise oder auch zu Krieg und Frieden am klarsten vertritt. Natürlich sollte der Leitantrag durch Änderungsanträge verbessert werden, und da liegen ja auch schon sehr viele vor. Dass die Unterzeichner des Gegenantrags auf solche konstruktiven Beiträge bewusst verzichten und dem Parteitag auch in diesem Punkt eine Entweder-Oder-Entscheidung aufzwingen wollen, stört mich schon.

Der alternative Antrag stellt Fragen nach den Versäumnissen der Partei in den letzten Jahren, nach den inneren Gründen für den Misserfolg. Ist das überflüssig?
Natürlich müssen diese Fragen gestellt werden. Aber wo sind die Antworten der Antragsteller? Vor allem halte ich es für eine grobe Fehleinschätzung, dass nach den nächsten Bundestagswahlen eine »linke Mehrheit« in Aussicht steht. Glauben die Verfasser im Ernst, dass die SPD, deren Führung bis heute zur Agenda 2010 steht und Merkel gerade ihre Zustimmung zum Fiskalpakt versprochen hat, sich innerhalb des nächsten Jahres in eine linke Partei verwandelt? Das ist die eigentliche Differenz zwischen beiden Anträgen.

Gibt es überhaupt eine Chance, dass der Parteitag zum Erfolg wird?
Wenn sich alle Seiten bewegen, schon. Wir haben im Herbst mit großer Mehrheit ein Parteiprogramm beschlossen. Dessen Kurs sollten wir halten, denn er war es, der unseren Erfolgen bis 2009 zugrunde lag.

Und Sie selbst bewegen sich, indem Sie die Übernahme einzelner Sätze aus dem Gegenantrag empfehlen?
Ich bin nicht Mitglied der Antragskommission. Aber ich wünsche mir einen Konsens über den Leitantrag und Vorsitzende, die die Positionen des Programms vertreten.

Keine Rache Lafontaines, die Bodo Ramelow offenbar befürchtet?
Das war auch wieder eine öffentliche Äußerung von der Art, die ich vorhin meinte. Solange wir uns auf diese Weise öffentlich diffamieren, brauchen wir keine Gegner, um uns klein zu halten.

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