LINKE probiert einen Burgfrieden
Katja Kipping und Bernd Riexinger auf einem Parteitag mit verhärteten Fronten als Spitzenduo gewählt
Nach einem spannungsgeladenen Parteitag in Göttingen hofft die LINKE, ihre Streitigkeiten über Personal und Ausrichtung beilegen zu können. Die Delegierten wählten mit Katja Kipping und Bernd Riexinger erneut eine nach Ost und West quotierte Doppelspitze. Sie ersetzen nun Klaus Ernst und die aus persönlichen Gründen zurückgetretene Gesine Lötzsch. Kipping warf ihre Idee einer weiblichen Doppelspitze kurzerhand über Bord, nachdem ihre Partnerin, die NRW-Landesvorsitzende Katharina Schwabedissen, am Samstagabend überraschend ihre Kandidatur zurückgezogen hatte. Gemunkelt worden war jedoch schon seit dem späten Nachmittag, dass es einen »Deal« zwischen dem »dritten Weg« und dem von Ernst in der Vorwoche präsentierten Riexinger geben werde.
Neuer Bundesgeschäftsführer ist der sachsen-anhaltische Landesvorsitzende Matthias Höhn. Als Bundesschatzmeister wurde Raju Sharma bestätigt. Gegen ihn war der Saarländer Heinz Bierbaum erfolglos angetreten.
Sichtlich erfreut über den Wahlausgang war das Lager um den saarländischen Fraktionschef Oskar Lafontaine, das sich zugunsten von Riexinger und gegen den ostdeutschen Dietmar Bartsch positioniert hatte. Der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich betonte im Gespräch mit »nd«, dass die Delegierten mit ihrem Votum für die Vorsitzenden und den Bundesgeschäftsführer eine sehr kluge Entscheidung getroffen hätten. »Das Spitzenteam bildet die ganze Breite der Partei ab. Jeder Flügel kann sich vertreten sehen«, so Ulrich. Er rief dazu auf, die neue Führung tatkräftig zu unterstützen. Dass Riexinger bisher bundespolitisch kaum bekannt ist, sei aus seiner Sicht kein Problem. »Das wird sich bald ändern. In Baden-Württemberg hat er sich bereits als sehr guter Gewerkschafter einen Namen gemacht«, sagte Ulrich. Riexinger ist Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Stuttgart.
Dagegen hatte der Bundestagsabgeordnete Jan Korte gemeinsam mit weiteren Vertretern ostdeutscher Landesverbände den knapp unterlegenen Dietmar Bartsch unterstützt. »Die Wahl ist nun zu akzeptieren«, sagte Korte gegenüber »nd«. Die neue Parteispitze stehe vor der großen Aufgabe, eine Integrationsleistung zu vollbringen. »Nun sind alle gefragt, zu einem fairen Umgang miteinander zurückzukehren«, forderte der Innenpolitiker. Dies gelte auch für künftige Parteitage. Er kritisierte, dass in Göttingen einige Delegierte nach der Niederlage von Bartsch gejohlt und geklatscht hätten. Abseits von Kameras und Mikrofonen äußerten sich Vertreter des Bartsch-Flügels drastischer.
Nach seiner Wahl rief Riexinger die Linkspartei zur Versöhnung auf. Er betonte, zunächst mit jenen reden zu wollen, die ihn nicht gewählt hätten.
Aus Sicht der aus Sachsen stammenden Kipping ist nicht die unterschiedliche Herkunft der vor fünf Jahren fusionierten Parteien WASG und Linkspartei.PDS die Ursache für die Streitigkeiten, sondern vielmehr die Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen Strömungen. Diese müssten überwunden werden, erklärte Kipping. Sie hatte in ihrer Bewerbungsrede einen »Wechsel der Tonlage« gefordert.
Klaus Ernst trat nicht mehr bei der Wahl für den Parteivorstand an. In seiner Rede räumte der bisherige Linksparteichef ein, dass die Führung in den vergangenen Monaten Fehler gemacht hatte. In diesem Zusammenhang nannte er die Form, in der der Geburtstagsbrief an den früheren kubanischen Staatschef Fidel Castro verfasst wurde, und die sogenannte Antisemitismusdebatte. Allerdings machte er auch diejenigen für die Misere der LINKEN verantwortlich, die über die Medien die Parteispitze kritisiert hatten. Als Folge warnte er vor »Zerfallserscheinungen« der Partei.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!