Demografie und Arbeitswelt

Tarifpartner wollen Modelle für alternsgerechtes Arbeiten im Dienstleistungsbereich entwerfen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Alle reden davon, dass die Zahl der jüngeren Menschen in unserer Gesellschaft zurückgeht. Was bedeutet die Entwicklung für die Arbeitswelt? Dieser Frage widmete sich eine Konferenz in Berlin.

Mit einer Konferenz in Berlin wurde diese Woche der Startschuss für das bislang größte Demografie- und Tarifprojekt zur Zukunft der Dienstleistungsbranche in einer alternden Gesellschaft gegeben. Getragen wird es von der Gewerkschaft ver.di, Branchenverbänden und Politik. Unter dem Namen »Zusammen wachsen, Arbeit gestalten« sollen bis 2014 für fünf große Dienstleistungsbereiche - Handel, Pflege, Erziehungs- und Sozialdienst, ÖPNV und Straßenmeistereien - Modelle für alternsgerechte Arbeit entwickelt und erprobt werden. Experten aus 50 Tarifgebieten sind beteiligt.

»Der zu erwartende Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um gut fünf Millionen in den kommenden 15 Jahren macht deutlich, dass die Zeit drängt«, erklärte Projektleiterin Tatjana Fuchs. Als einen wichtigen Schritt nannte sie eine Verständigung über Bedingungen für ein gesundes und motivierendes Arbeiten »vom Berufsstart bis zum Renteneintritt«. Wie ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger erklärte, sollen Beschäftigte »auch in Zukunft gesund und sozial abgesichert in Rente gehen können«.

Davon können allerdings viele Arbeitnehmer schon heute nur träumen. Vor allem im Einzelhandel und im Pflegebereich sind niedrige Löhne und der Arbeitsdruck besonders stark ausgeprägt. Deshalb könnten sich die Bedingungen für die Beschäftigten sogar verbessern, wenn durch die demografische Entwicklung Arbeitskräftemangel herrscht. Es war der Vertreter des Unternehmerlagers, der diesen Punkt offen ansprach. Bald werde die Zeit vorbei sein, so Rainer Marschaus, Tarifexperte der Metro AG, wo Mitarbeiter mit der Drohung eingeschüchtert werden können, es warteten Hunderte, die seine Stelle gerne übernehmen würden.

Verbessern sich durch diese Situation die Kampfbedingungen für Gewerkschaften? Die Antwort von ver.di-Frau Nutzenberger fiel zurückhaltend aus. Einerseits bekräftigte sie die Kritik ihrer Gewerkschaft an der Rente mit 67. Andererseits ließen gleich mehrere Podiumsteilnehmer durchblicken, dass sie von einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit ausgehen - den Kampf also verloren geben. Nutzenberger betonte an dieser Stelle erneut, dass die Arbeitsbedingungen derart verbessert werden müssten, dass gute Arbeit von der Ausbildung bis ins hohe Alter möglich würde. Die Frage nach dem Beginn des Rentenalters blieb hierbei offen. Auch von der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens und Weiterbildens sprachen mehrere Podiumsteilnehmer. Auch hier wurde die Frage ausgeblendet, wie aus einem Recht eine Pflicht zum lebenslangen Lernen wird.

Der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Gerd Hoofe blieb mit seiner Argumentation ganz dem Standort Deutschland verpflichtet, wenn er davor warnte, dass ein durch die demografische Entwicklung bedingter Arbeitskräftemangel die Wirtschaft Deutschlands gefährde. Unternehmen, die kräfteschonende Arbeitsbedingungen schaffen und das Wohlbefinden der Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen, sind für ihn daher gleich ein Beitrag zur Stärkung des deutschen Wirtschaftsstandorts.

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