Der »Graf« und seine ministeriellen Seilschaften
Österreichische Politiker und Beamte unter Verdacht der Korruption in großem Stil
Strasser wird der Bestechlichkeit bei der Vergabe des Polizeifunks im Jahr 2004 verdächtigt. International Aufsehen erregte er im März 2011, als zwei Journalisten der britischen »Sunday Times« geheim gedrehte Videoaufzeichnungen veröffentlichten. Inzwischen von seiner Partei nach Brüssel abgeschoben, bot Strasser als EU-Abgeordneter einem fingierten Investmenthaus seine Lobbyisten-Dienste an. Für 100 000 Euro Jahresgage, so der ÖVP-Mandatar, würde er neue EU-Bestimmungen zur Finanzmarktderegulierung forcieren. Großspurig meinte er noch, es gebe fünf weitere solcher Kunden. Nach Bekanntwerden der Geschichte trat Strasser von allen politischen Ämtern zurück.
Momentan geht es um die Vergabe eines digitalen Systems für den österreichischen Polizeifunk. Bei dessen Ausschreibung, so meint nicht nur die Opposition, sondern auch der Rechnungshof, sei es zu groben Unregelmäßigkeiten gekommen. Beraterkosten in zweistelliger Millionenhöhe scheinen nur der Gipfel des Skandals zu sein. Das Gesamtvolumen des Projektes »Tetron« war mit bis zu 1,5 Milliarden Euro veranschlagt. Dahinter steckten die Konzerne Motorola und Alcatel, die - so die Vermutung bei Staatsanwaltschaft und Ausschuss - vom Ministerium gegen entsprechende Entschädigung protegiert wurden. Der damalige Innenminister Strasser war über seinen Kabinettschef Christoph Ulmer mit einer der schillerndsten Figuren der österreichischen Geschäftswelt, Alfons Mensdorff-Pouilly, verbunden.
Gegen diesen aus altem Adel stammenden Großgrundbesitzer, der mit der ehemaligen ÖVP-Frauenministerin Maria Rauch-Kallat verheiratet ist, ermitteln Gerichte in Großbritannien, Schweden, Tschechien und Österreich. In mehreren Ländern machte »der Graf«, wie er sich nennen lässt, mit Untersuchungshaftzellen Bekanntschaft. Rüstungsfirmen gehören offensichtlich ebenso zu seinen Kunden wie Funknetzanbieter. Berühmt sind seine Jagden in Schottland und im Burgenland, auf denen sich Manager großer Telekom- und Rüstungskonzerne sowie Bankdirektoren mit Ministeriumsmitarbeitern und leitenden Untersuchungsbeamten für interne Korruption treffen. Mensdorff-Pouilly darf getrost als eine Drehscheibe für die Vergabe öffentlicher Aufträge an private Anbieter bezeichnet werden.
Bei seiner jüngsten Einvernahme durch den Untersuchungsausschuss legte das Finanzministerium bis zur Unkenntlichkeit geschwärzte Akten vor. Und der damals ermittelnde Leiter einer internen ministeriellen Korruptionsuntersuchung konnte sich zwar daran erinnern, einer Jagdeinladung des »Grafen« gefolgt zu sein, wusste es aber nicht zu erklären, wohin die Akten seiner Untersuchung samt dazugehörenden CD-Aufzeichnungen verschwunden sind. Nur ein handgeschriebener Zettel sei noch da, auf dem der Name Mensdorff-Pouilly aufscheint; die Handschrift könne er aber nicht zuordnen.
Der seit Wochen tagende Untersuchungsausschuss droht in diesem Sumpf aus einstigem ministeriellen Personal der Regierung Wolfgang Schüssel und heutiger Crew in den immer noch ÖVP-besetzten Ministerien des Inneren und der Finanzen zu versinken. Die Vorsitzende Gabriele Moser (Grüne) wirkt überfordert. Medial ist sie kaum präsent. Strasser und Mensdorff-Pouilly, die jede Schuld von sich weisen, scheinen leichtes Spiel zu haben, solange sie sich ihrer ministeriellen Seilschaften sicher sein können.
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