»In der Politik gibt es viele Unwissende«
Der Hamburger Großreeder und SPD-Abgeordnete Erck Rickmers über einen Nordstaat, seine Partei und höhere Steuern
nd: Mal ehrlich: Welche Partei haben Sie als junger Mann gewählt?
Bei der SPD habe ich mein Kreuz gemacht, als Gerhard Schröder zum ersten Mal als Bundeskanzler kandidierte. In der sozial-liberalen Ära hatte ich Sympathie für die FDP, CDU-Wähler war ich nie!
Was hat Sie angetrieben, in die Politik zu gehen?
Wie viele andere habe ich mich häufig über Politik und politische Entscheidungen geärgert. Da sind viele Unwissende unterwegs, die ihr Handwerk nicht verstehen. Wie kann es sein, dass wir einen Außenminister haben, der nicht Englisch spricht und Ministerien mit fachfremden oder zu unerfahrenen Mitarbeitern besetzt werden? All das stört die Bürgerinnen und Bürger. Politik hat mich seit jeher interessiert. Ende 2010 habe ich mich entschlossen, es selbst zu versuchen.
Warum in der Partei der Arbeiter, Gewerkschaftsfunktionäre und kleinen Beamten?
Das von Ihnen skizzierte Bild ist ein anderes als das, das ich von meiner Partei habe. Die SPD ist nicht so leicht zu verorten. Sie ist eine der beiden deutschen Parteien, die in der Lage sind, ein Volk von über 80 Millionen Menschen zu führen. Alle großen Reformen der letzten Jahrzehnte wurden von den Sozialdemokraten angeschoben. Auch deshalb steht Deutschland heute in Europa so gut da. Weil das so ist, kann ich mich mit den Zielen meiner Partei ganz überwiegend identifizieren. Vielleicht kann ich dem Profil der SPD eine Facette hinzufügen.
Und wie ist »Genosse Großreeder« - wie die »Financial Times« Sie nannte - in der SPD aufgenommen worden?
Am Anfang spürte ich gewisse Berührungsängste. Aber ich bin ein Mensch, der gut auf andere zugehen kann. Ich denke, dass nach nunmehr anderthalb Jahren alle merken, dass ich den Ball flach halte und mich sehr ernsthaft in die Parteiarbeit einbringe - aber auch, dass die Partei von meiner Popularität profitiert, weil ich ein starkes Medieninteresse wecke.
Wie zuletzt in Schleswig-Holstein. Um ein Haar wären Sie Wirtschaftsminister in Kiel geworden - woran ist das gescheitert?
Hierzu möchte ich nichts sagen, außer dass es Gespräche gegeben hat, aber keine Ergebnisse.
Lag es daran, dass Ihnen ein Gewerkschaftsfunktionär als Staatssekretär und als, nun ja, Wachhund vor die Nase gesetzt werden sollte?
Kein Kommentar.
Ihre Berufung wäre ein Signal für eine bessere Kooperation zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein gewesen …
Reinhard Meyer wird einen guten Job machen! Er weiß, dass beide Bundesländer eng miteinander verwoben sind. Hamburg ist der größte Hafen Schleswig-Holsteins, der Flughafen liegt genau an der Grenze, wo sich gewerblich und industriell ganz viel abspielt. Beide Länder müssen darauf hinarbeiten, dass über das Formulieren von gemeinsamen Inhalten die von der föderalen Struktur vorgegeben Grenzen langsam verschwimmen. Nur das schafft Synergieeffekte und spart Verwaltungskosten.
Hört sich an wie ein Plädoyer für den Nordstaat.
Sagen wir es mal so: Wenn wir heute vor der Landkarte Deutschlands stünden, würden wir wohl nicht 16 Bundesländer einmalen. Sehr wahrscheinlich würden wir uns die Stadtstaaten schenken und das Ganze vereinfachen. Bei Hamburg und Schleswig-Holstein böte sich das an. Aber ein Plädoyer für den Nordstaat ist es nicht, weil der im Augenblick nicht realistisch machbar ist. Das heißt nicht, dass wir nicht darauf hinarbeiten sollten. Wir müssen in jedem Fall darauf achten, dass die Partikularinteressen nicht gegeneinander wirken.
In Diskussionsrunden über Ethik in der Wirtschaft sind Sie ein gern gesehener Gast - haben Sie einen Hausphilosophen, eine intellektuelle Leitfigur?
Nein, habe ich nicht. Viele Dinge werden überhöht, wenn man sich dem philosophisch nähert. Es sind Fragen von Respekt, Angemessenheit, Anstand und alltäglicher Moral, die ein normales zwischenmenschliches Miteinander ausmachen - extrapoliert in einen größeren Zusammenhang. Ich habe ein bestimmtes Wertebild, das ich in die Diskussion einbringe.
Was halten Sie von höheren Steuern?
Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Wir müssen uns lösen von einer ideologisch geprägten Umverteilungs- hin zu einer Finanzierungsdebatte: Was müssen wir tun, um Deutschland in einem intensiver werdenden globalen Wettbewerbsumfeld zukunftsfähig zu machen? Die Diskussion muss vor dem Hintergrund geführt werden, dass der Staat in den letzten vier Jahren die Kohlen aus dem Feuer geholt hat und damit viele große Vermögen gerettet hat. Deshalb finde ich es in Ordnung, dass der Staat zur Lösung der Zukunftsaufgaben höhere Gebühren einfordert. Dass die Vermögenden mehr bezahlen, ist angemessen und schon im Grundgesetz verankert. Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht weiter auseinandergehen. Diese mit Fakten zu belegende Entwicklung muss gestoppt werden, denn ein Zuviel an Ungleichheit tut einer Gesellschaft nicht gut. Das gefährdet den sozialen Frieden.
Staatstragende Worte. Haben Sie weitergehende politische Ambitionen?
Politische Karrieren kann man nicht planen. Aber schauen wir mal. Dass ich bei meinem beruflichen Hintergrund jemand bin, der Prozesse gern aktiv mitgestaltet, dürfte niemanden überraschen.
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