EU-Kritiker will Islands Präsident bleiben

Amtsinhaber Grimsson gilt als Favorit für die Wahl des Staatsoberhaupts

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Erstmals muss sich ein isländischer Präsident bei der Wiederwahl gegen Herausforderer wehren. Der EU-kritische Amtsinhaber Grimsson führt in den Umfragen.

Am Samstag wählen die Isländer einen neuen Präsidenten. Zumindest laut jüngster Umfrage dürfte sich der gegenwärtige Staatschef Olafur Ragnar Grimsson (71) gegenüber den insgesamt fünf Gegenkandidaten behaupten. Laut dem Meinungsforschungsinstitut MMR führte der EU-kritische Amtsinhaber wenige Tage vor der Wahl mit 44,5 Prozent. Seine stärkste Konkurrentin, die EU-freundliche Fernsehjournalistin Thora Arnorsdottir (36) kommt auf 36,7 Prozent. Doch auf Island mit seinen nur 310 000 Einwohnern sind die Fehlermargen groß.

Zudem gilt die diesjährige Präsidentschaftswahl in Island als historisch einzigartig. Denn der ökonomische Totalzusammenbruch, die Zwangsverstaatlichung der Großbanken im Herbst 2008 und der Sturz der seit Jahrzehnten regierenden konservativen Unabhängigkeitspartei hat die politische Landschaft völlig umgepflügt. Seither gilt auch der einstige Konsens nicht mehr, nicht gegen amtierende Präsidenten anzutreten. Gleich fünf Kandidaten fordern den Staatschef heraus. Als ebenso ungewöhnlich gilt, dass vor allem die rechte Wählerschaft den eigentlich linksorientierten Grimsson im Amt behalten will. Er gilt bei den männlichen Wählern der konservativen Unabhängigkeitspartei und den Wählern der rechtsliberalen Fortschrittspartei als Favorit. Dazu gehören vorwiegend die Einwohner aus ländlichen Gebieten und Geringverdiener.

Eine Erklärung für Grimssons Popularität bei der Rechten ist sein Widerstand gegen die Europäische Union. 2010 hatte das Parlament unter der Führung der EU-freundlichen Sozialdemokraten einen für Island ungünstigen Rückzahlungsvertrag für die umfangreichen Schulden der Bank Icesave an die Niederlande und Großbritannien ratifiziert. Nur Grimssons damals von ausländischen Medien als verrückt erklärtes Veto gegen diesen Beschluss ist es zu verdanken, dass die Isländer einen Großteil dieser Schulden nicht zurückzahlen müssen. Während die Regierung ängstlich vor Drohungen aus Großbritannien und Holland zurückwich, man werde Island nicht in die EU lassen, zeigte Grimsson Rückgrat.

Tatsächlich wurden die EU-Verhandlungen nicht beeinflusst. Island kann höchstwahrscheinlich beitreten, wenn es denn möchte. »Die Schulden der Bank Icesave an ausländische Länder zurückzuzahlen, ist nicht Aufgabe der Steuerzahler Islands«, hatte der Präsident damals begründet. Hier trifft sich linker Idealismus mit rechtem Islandpatriotismus. Der Stolz und das Unabhängigkeitsgebaren kommen an, vor allem bei den Fischern, die heute wieder das sehr erfolgreiche Rückgrat der isländischen Wirtschaft sind.

Präsident Grimssons Konkurrentin Thora Arnorsdottir hat vor allem Unterstützung in der Hauptstadt Reykjavik mit rund 100 000 Einwohnern und hier vor allem bei jüngeren Frauen und Akademikern. Während der gegenwärtige Präsident offen über andere Möglichkeiten als eine EU-Mitgliedschaft spricht und die Einführung des kanadischen Dollars prüft, hält sich seine Konkurrentin bedeckt. Mit gutem Grund. Eigentlich ist sie für den EU-Beitritt. Aber damit gewinnt sie keine Wähler. Noch 2008 nach dem Zusammenbruch wollte eine große Mehrheit der Isländer in die als Rettungsanker betrachtete EU mit ihrem Euro. Doch mit dem für alle Isländer überraschend schnellen Wiederaufschwung der Wirtschaft und der massiven europäischen Strukturkrise ist das Interesse an Brüssel in den Keller gesunken.

Derzeit wächst die Inselnation wieder schneller aller alle anderen Länder Europas. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit sagt für dieses Jahr 2,7 Prozent voraus. Am vergangenen Freitag meldete der Internationale Währungsfonds (IWF) zudem überraschend, dass Island über eine Milliarde Euro an Hilfskrediten vorzeitig zurückbezahlt hat, zwei Jahre früher als geplant.

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