Vier Jahre Haft für Verena Becker

Urteil und wenig Klarheit nach 91 Verhandlungstagen im Buback-Prozess

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Stammheimer RAF-Prozess endete mit vier Jahren Haft für Verena Becker. Zur Aufklärung des Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback im Frühjahr 1977 konnte das Verfahren freilich nicht viel beitragen.

Für weitere zwei Jahre soll die frühere Terroristin der »Bewegung 2. Juni« und der RAF Verena Becker nach dem Willen der Stammheimer Richter in Haft. Wegen Beihilfe zum Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback im Jahr 1977 verurteilten sie Becker am Freitag zu vier Jahren Haftstrafe, gut zwei Jahre sollen allerdings als bereits abgebüßt gelten. Von den Anfangsvorwürfen einer weitreichenden Mittäterschaft blieb am Ende nicht viel übrig. Im Wesentlichen wird die Beihilfe nun damit begründet, dass sich Becker bei einem Treffen im Vorfeld in einer herausgehobenen Weise für das Attentat stark gemacht habe. Die Anklage hatte auf viereinhalb Jahre Haft, die Nebenklage auf lebenslänglich und die Verteidigung auf Freispruch plädiert.

Laut Verteidigung hatte Becker den betreffenden Tatentschluss eher passiv mitgetragen. Basis der Verurteilung ist zur Hauptsache eine Einlassung des zuweilen recht gesprächigen »RAF-Aussteigers« Peter-Jürgen Boock aus dem Jahr 2007 - und damit auch nicht jenseits allen Zweifels; im Bundeskriminalamt etwa soll Boock als unglaubwürdig gelten. Als sich herausstellte, dass jenseits der Boock-Aussage nicht viel vorlag, war sogar der Haftbefehl gegen Becker aufgehoben worden. Zumal auch Boock nicht etwa über Becker, sondern über Stefan Wisniewski als möglichen Schützen auf dem Sozius des Motorrades der Attentäter spekuliert hatte - wie während des Verfahrens auch die Ex-RAFlerin Silke Maier-Witt und bereits in den 1980er Jahren jene »Quelle« des Verfassungsschutzes, die sich wohl als Verena Becker identifizieren lässt.

Abgesehen von der Person Beckers, die mit der Aussicht auf zwei Jahre Haft leben muss, ist der Mammutprozess nach 91 Verhandlungstagen also ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Weiterhin kursieren die unterschiedlichsten Versionen über jenes »Kommando«. Gegen Stefan Wiesniewski wurden nach Boocks Einlassungen 2007 neue Ermittlungen eingeleitet. Eingestellt sind diese bisher nicht.

Was ist also geschehen, und wer war ungefähr wo? Nach wie vor bleibt das meiste im Dunkeln. Becker selbst hatte in dem Verfahren angegeben, zum betreffenden Zeitpunkt in Irak gewesen zu sein und dabei auf ein von ihr benutztes falsches Reisedokument verwiesen, das einen iranischen Ausreisestempel trägt. Die Bagdad-Variante wird in einem während des Verfahrens plötzlich aufgetauchten Verfassungsschutzvermerk bestätigt: Becker habe sich mit der damaligen RAF-Kämpferin Brigitte Mohnhaupt in der irakischen Hauptstadt aufgehalten. Diese Geschichte wiederum haben sowohl Peter-Jürgen Boock als auch Silke Maier-Witt öffentlich als »absoluten Humbug« bezeichnet.

Verurteilt wegen des Attentats wurde 1980 freilich niemand der nun Genannten, sondern Knut Folkerts als Todesschütze sowie Christian Klar als Fluchtautofahrer und Brigitte Mohnhaupt als Organisatorin. Günter Sonnenberg galt als Fahrer des Angreifer-Motorrades, wurde aber nie wegen des Attentats verurteilt.

Für seine Version - Becker als Schützin, anschließender »Deal« mit dem Verfassungsschutz - konnte Nebenkläger Michael Buback keine gerichtsfesten Beweise liefern. Einige der Zeugen, die eine Frau auf dem Motorrad gesehen haben wollten, verstrickten sich in Widersprüche, eine Haaranalyse verwies nicht auf Becker.

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