Karlsruhe hat keine Eile
Verfassungsgericht nimmt sich für Eilanträge zu ESM und Fiskalpakt Zeit
Er versuchte es mit einer »erheblichen Verunsicherung der Märkte« und warnte: »Die Krisensymptome würden verstärkt, mit negativen ökonomischen Folgen.« Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) setzte in Karlsruhe den von Schwarz-Gelb schon vor der Verhandlung über die Euro-Eilanträge eingeschlagenen Weg fort: Horrorszenarien als Argument, um das Bundesverfassungsgericht davon zu überzeugen, keine einstweilige Anordnung zu erlassen und somit den Weg frei zu machen für eine Unterschrift des Bundespräsidenten unter die umstrittenen Gesetze zu ESM und Fiskalpakt.
Doch die Richter wollen sich offensichtlich bei ihrer Entscheidung nicht unter Druck setzen lassen. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle kündigte am Dienstag eine »verfassungsrechtlich vernünftige Prüfung« der Klagen an. Diese könne über ein normales Eilverfahren hinausgehen. Im Vorfeld war mit einer Dauer von etwa drei Wochen bis zu einer Entscheidung gerechnet worden, nun könnte es offenbar bis zu drei Monate dauern.
Voßkuhle betonte: »Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso, wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert. Wer dieses Verhältnis zu einer Seite auflöst, verliert die andere!« Das Gericht müsse abwägen, welche Entscheidung die größeren Nachteile mit sich bringe. Die Politik habe vor allem in Krisenzeiten einen großen Spielraum. Andererseits verwiesen die Kläger mit Recht darauf, dass die Gesetze völkerrechtliche Verträge begründeten, die nicht mehr aufzulösen seien, selbst wenn das Gericht später zum Ergebnis käme, dass sie verfassungswidrig seien. Kläger sind unter anderen die Bundestags-Linksfraktion und »Mehr Demokratie«, deren Klage nicht nur von Tausenden Bürgern und Bürgerinnen unterstützt wird. Am Dienstag schloss sich auch die Piratenpartei an.
Während in der Bundesrepublik vor Gericht um die Zukunft von Fiskalpakt und ESM gerungen wird, beschäftigt sich die europäische Politik mit den akuten finanziellen Sorgen Spaniens. Am Dienstag beschlossen die 27 EU-Finanzminister, Spanien mehr Zeit zum Sparen zu geben. Die Regierung in Madrid muss erst 2014 das Haushaltsdefizit unter die erlaubten drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken. Bereits am Montagabend hatten die 17 Euro-Länder beschlossen, den spanischen Krisenbanken noch im Juli erste Kredite von 30 Milliarden Euro zu gewähren.
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