EU zeigt Rumänien gelbe Karte

Kommission legte Fortschrittsberichte vor / Verhaltenes Lob für Bulgarien

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Bulgarien und Rumänien müssen noch beweisen, dass sie das Zeug zum vollwertigen EU-Mitglied haben. Gestern legte die Kommission ihren jüngsten Fortschrittsbericht zum Stand der politischen Reformen vor.

Rumänien kommt mit einem blauen Auge davon: In ihrem gestern vorgestellten Fortschrittsbericht über die Entwicklung des Landes zu mehr Rechtsstaatlichkeit verurteilt die EU-Kommission die Ereignisse der vergangenen Wochen in dem südosteuropäischen Land, will ihm aber eine weitere Chance geben. »Premierminister Ponta hat mir zugesichert, alle Forderungen der Kommission zu erfüllen«, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gestern in Brüssel. Diese Zugeständnisse hätten den Ausschlag für die milde Behandlung des Landes gegeben.

Bleibt abzuwarten, ob den Worten auch Taten folgen. Um dies zu beobachten, entschied sich die EU-Kommission für eine Sonderbehandlung. Während Bulgarien, das gestern auch Gegenstand eines Fortschrittsberichts war, bis Ende 2013 Zeit bekommt, soll für Rumänien schon Ende des Jahres der nächste Bericht vorliegen.

EU-Beamte werden bis Dezember mehrmals nach Rumänien reisen, um zu prüfen, ob Victor Ponta seinen Zusagen auch Taten folgen lässt. Der sozialdemokratische Premierminister hatte vor drei Wochen mit der Amtsenthebung des konservativen Staatspräsidenten Traian Basescu eine Art sanften Staatsstreich eingeleitet. In einem Bündel von Maßnahmen beschnitt er unter anderem die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichts und stellte seiner Regierung gleichsam einen Freifahrtschein für alle Entscheidungen aus. Die EU-Kommission protestierte heftig und stellte einen Elf-Punkte-Plan zusammen, durch den der Quasi-Putsch wieder rückgängig gemacht werden sollte. So kündigte Ponta gestern in Bukarest an, Vorgaben des Verfassungsgerichts für das Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Widersacher Basescu zu befolgen. Die Regierung hatte das Verfahren dahingehend geändert, dass keine Mindestbeteiligung an dem Referendum für dessen Gültigkeit erforderlich sein soll. Diesem Dekret widersprach das Verfassungsgericht und forderte die Beteiligung von mehr als der Hälfte der eingetragenen Wähler.

Ohne diese »außergewöhnlichen Ereignissen«, wie Barroso es nannte, hätte Rumänien gute Noten in dem EU-Fortschrittsbericht erhalten. Die Berichte werden nur deshalb angefertigt, weil es bei der Aufnahme beider Länder in die EU zum 1. Januar 2007 umstritten war, ob sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Union genügten. Kriminalität, Korruption und Vetternwirtschaft bestimmten weite Teile der Wirtschaft und Politik, die Gerichte hatten kaum Macht. Bis heute gehören beide Staaten nicht dem Schengen-Raum an. Einige westliche EU-Länder, darunter Deutschland, fürchten die offenen Grenzen als Einfallstor für Mafia und organisiertes Verbrechen noch immer.

Dabei haben sowohl Rumänien als auch Bulgarien Fortschritte gemacht, wie die EU-Berichte festhalten. Das rumänische Rechtssystem habe sich »substanziell« modernisiert, heißt es. Die Anti-Korruptions-Direktion (DANN) und die Nationalagentur für Integrität (ANI) hätten überzeugende Ergebnisse im Kampf gegen Korruption auf höchster Ebene vorzuweisen, die Gerichte ihre Fähigkeit zur Unabhängigkeit bewiesen. Doch auf Lokalebene sei Korruption noch lange nicht überwunden.

Bei Bulgarien muss die EU größere Abstriche machen. In Sachen Rechtsstaatlichkeit hinke das Land Rumänien hinterher - abgesehen von den Ereignissen den vergangenen Wochen. Die Unabhängigkeit des Gerichtssystems sei noch nicht eindeutig zu erkennen. Verfahren würden mitunter bis zur Verjährung der Tatbestände verschleppt. Das organisierte Verbrechen und internationale Geldwäscher können noch immer agieren. Auch Korruption gebe es weiterhin an den Landesgrenzen und in lokalen Regierungen.

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