Parkfest statt Parade
Schwule und Lesben feiern in Chemnitz
Würde man nicht genauer hinsehen, man könnte das bunte Durcheinander im kleinen Park vor der Chemnitzer Stadthalle für eines dieser häufiger stattfindenden Stadtteilfeste halten. Ein Zuckerwattehändler verkauft seine süß-klebrigen Wattebäusche, Bier wird gezapft, eine Wohnungsgesellschaft lockt als Sponsor mit einem Gewinnspiel. Auf der Bühne präsentiert gerade eine Tanzgruppe ihr Können. Links daneben steht eine Sofagarnitur und eine etwa eineinhalb Meter große Miniaturausgabe des »Nischels« - des Wahrzeichens der Stadt. Doch der Sockel des Karl-Marx-Monumentes erstrahlt im Gegensatz zum eher tristen Original in den bunten Farben der Regenbogenfahne, dem Zeichen der Lesben- und Schwulenbewegung.
Bewusst keine Demonstration
Bunt und kreativ, das wollen die Veranstalter vom »Tüdelü« - dem ersten großen Fest für Lesben, Schwule, Bi- und Heterosexuelle in Chemnitz sein. »Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, keine politische Demonstration durchzuführen«, erklärt Sabrina Jäger vom Verein »Different People«. Einen Protestzug wie am mittlerweile auch in Dresden und Leipzig stattfindenden »Christopher Street Day«, halten die Veranstalter in Chemnitz für ungeeignet. Immerhin, so Jäger weiter, habe es in Chemnitz zuletzt im Jahr 2002 eine größere Veranstaltung zum Thema gegeben.
»Wir wollten ein Fest organisieren, welches alle Lebensweisen einschließt«, erzählt die 35-Jährige. Den zentralen Ort mitten in der Innenstadt haben die Organisatoren dabei absichtlich gewählt. »Durch den Charakter eines Parkfestes locken wir auch Menschen an, welche sonst wohl eher nicht vorbeischauen würden«, ergänzt Jacqueline Drechsler.
Das Konzept schien aufzugehen. Mehr als 1000 Besucher aller Altersgruppen tummelten sich am Sonnabend vor der Stadthalle. LINKE, Grüne, SPD, Piratenpartei und selbst der örtliche CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich unterstützen das »Tüdelü«.
Die ernste Seite des bunten Themas
Trotz aller Feierlaune widmeten sich die Veranstalter aber auch den ernsten Seiten der Thematik. »Uns geht es darum, Vorurteile abzubauen«, so Drechsler. Überall im Park hängen deshalb an Laternenmasten Plakate, die sich mit der Diskriminierung von Homosexuellen auseinandersetzen. Die Plakate berichten davon, dass Homosexuelle aufgrund der Diskriminierung vier Mal häufiger selbstmordgefährdet sind und aufgrund ihrer sexuellen Neigung in vielen Staaten bis heute sogar verfolgt werden.
Eine auf der Wiese liegende große Weltkarte zeigt Staaten wie Iran, wo auf homosexuelle Handlungen der Tod steht. Hervorgehoben wird dagegen Südafrika. Dort wurde Ende 2006 die Ehe für gleichgeschlechtliche Partner legalisiert, womit das Land als erstes in Afrika und als fünfter Staat weltweit diesen Schritt ging.
Die Bundesrepublik hat dagegen noch einiges zu lernen, wie SPD-Stadträtin Drechsler sagt. Bis heute sind hier keine gleichgeschlechtlichen Ehen möglich.
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