Bio-Schatz-Kästlein
Zwei bemerkenswerte Bücher des Biochemikers Gottfried Schatz
In Tübingen, in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, erschien 1811 ein Büchlein von Johann Peter Hebel mit dem Titel »Das Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes«. Fast genau 200 Jahre später kamen die Bücher »Zaubergarten Biologie« und »Jenseits der Gene« des emeritierten Basler Biologieprofessors Gottfried Schatz heraus. Hebels Vorrede von 1811 passt nach kleiner Änderung (NZZ statt Badischer Landcalender und Wiley-VCH statt Cotta) bestens auf Schatz: »Die Veranlassung zur Herausgabe dieses Büchleins muss seinen Titel rechtfertigen, und der Titel die Herausgabe. Der Verfasser hat nämlich seit Jahren die Lesestücke der ›Neuen Zürcher Zeitung‹ geliefert, und der Wiley-VCH Verlag hegte die gute Meinung, es wäre schade, wenn die besten Aufsätze darin [...] untergingen.«
Schatz' »Zaubergarten Biologie« liefert die frappierenden Antworten auf einige scheinbar einfache Fragen: Warum gibt es große Antilopenherden, nicht aber solche von Leoparden? Oder: In unserem Körper tötet sich jedes Jahr fast die Hälfte aller Zellen! Warum der sanfte Massenselbstmord? Antwort: Um Krebs oder auch die Ausbreitung von Viren zu verhindern.
Schatz war in seiner Jugend Geiger, als Wissenschaftler war Mitentdecker des Erbguts der Mitochondrien. Seine Art der populären Wissensvermittlung erinnert ein wenig an ein klassisches Violinkonzert - virtuos, zart, dann wieder dynamisch … Gäbe es doch mehr Naturwissenschaftler mit einer solchen künstlerischen Begabung! Kunst und Wissenschaft sind Zwillingsschwestern.
Unter dem Titel »Jenseits der Gene« widmet sich die zweite Sammlung von Essays aus der NZZ dringenden Gegenwartsfragen, die in jeder Hinsicht dimensionsüberschreitend sind, nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne. Die scharfsinnigen Betrachtungen zeigen Probleme auf, mit denen sich noch die nachfolgenden Generationen beschäftigen werden. So etwa, wie man die tiefsten Ursachen von Krankheiten statt nur ihre Symptome behandelt.
Der österreichisch-schweizerische Biochemiker gibt zum einen Teil Antworten, zum anderen Teil Denkanstöße auf ihn und uns umtreibende Fragen, z. B. wie wir in unserem hochtechnisierten Zeitalter mit allgegenwärtigem Lärm leben müssen und fragt: Gibt es den Klang der Stille?
Immer wieder beeindruckend ist die kritische Selbstreflexion seines Lebens und seiner Tätigkeit als Wissenschaftler zu lesen. Hier findet sich jeder wieder, der sensibel und bescheiden genug ist, sich den grundlegenden Fragen des eigenen gelebten Lebens zu stellen, weil die ehrlichen Antworten zumindest nachdenklich stimmen.
Ein Satz aus dem Buch lässt mich nicht los: »Die Waffe der Wissenschaft ist Wissbegierde - doch diese Waffe ist stumpf ohne die Schärfe der Intelligenz. Aber selbst die schärfste Intelligenz ist kraftlos ohne Leidenschaft und Mut - und diese wiederum sind Strohfeuer ohne die Macht der Geduld.«
Ein Buch, das, wenn man es einmal gelesen hat, immer in Reichweite bleibt, weil man erneut etwas nachlesen möchte.
Gottfried Schatz:
Zaubergarten Biologie: Wie biologische Entdeckungen unser Menschenbild prägen.
Jenseits der Gene: Essays über unser Wesen, unsere Welt und unsere Träume.
Beide Wiley-VCH Verlag 2012. 185 S. gebunden, 24,90 €.
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