Weltkriegsmunition als Strandgut
Kampfmittel an Ostseestrand gespült
Viel Glück hatte dieser Tage ein sechsjähriger Junge aus Baden-Württemberg, der am Ostseestrand von Kalifornien bei Schönberg (Schleswig-Holstein) einen brisanten Fund machte. Er entdeckte einen unbekannten und auffälligen »Stein« von der Größe eines Ziegels, den er mit in die Ferienwohnung nahm. Anschließend verfärbten sich Kleidung, Jacke, Hose und sogar die Hände des Jungen orange, die Farbe ließ sich nicht mehr entfernen. Mehrere Tage vergingen, bis das Ordnungsamt und der Kampfmittelräumdienst die Ursache ausmachten: Bei dem Mitbringsel handelte es sich um Schießwolle, ein äußerst gefährliches Gemisch unter anderem aus TNT und Hexanitrodiphenylamin.
Warnhinweise gefordert
Bereits bei der Berührung beider Substanzen mit der Haut kann es zu einer Vergiftung kommen. Leber- und Erbgutschäden können ebenso die Folge sein wie eine Krebserkrankung. Eine erste Blutuntersuchung des Sechsjährigen an der Uniklinik in Kiel weist darauf hin, dass das Kind noch einmal großes Glück gehabt hat.
Der schleswig-holsteinische Landesverband des Naturschutzbundes (NABU) fragt sich allerdings, warum es an gefährdeten Strandabschnitten keine Warnhinweise gibt - und warum das Innenministerium in Kiel den Fall nicht öffentlich gemacht habe. Die Gefahrenlage scheint größer zu sein, als offizielle Stellen bisher wahrhaben wollten.
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Munition im Meer« sah bisher aufgrund der Strömungsverhältnisse in Nord- und Ostsee keine Gefährdung strandnaher Küstenbereiche durch versenkte Kriegsmunition. Doch laut NABU hat bereits im Vormonat ein Urlauber auf Wangerooge einen Torpedo-Sprengkopf gefunden. Die Umweltorganisation ist alarmiert und fordert behördlicherseits eine vollkommene Neubewertung.
In Nord- und Ostsee liegen nach NABU-Angaben geschätzte 1,6 Millionen Tonnen versenkter konventioneller Weltkriegsmunition vor deutschen Küsten. Ein bekanntes Versenkungsgebiet befindet sich bei Heidkate in unmittelbarer Nähe des jetzt in die Schlagzeilen gekommenen Ostseestrandes. Im März wurden dort sogar Minen zur Gefahrenabwehr gesprengt. NABU kritisiert: Bei solchen Sprengungen wird der Sprengstoff nicht vollständig zerstört; giftige Substanzen und Partikel werden im Meer weit verteilt.
Das Thema treibt auch die Bevölkerung von Helgoland um. Seit Jahren ist bekannt, dass es heikle Altlasten in unmittelbarer Nähe der Hochseeinsel gibt, darunter auch größere Mengen von versenktem Nervengas Tabun. Offizielle Stellen argumentierten über Jahre, dass der Verzicht auf eine Bergung aus Sicherheitsaspekten die klügste Lösung sei.
NABU will Robotereinsatz
Nun sorgen handfeste wirtschaftliche Interessen dafür, dass die Problematik doch Priorität bekommen hat. Da der noch weiter auszubauende Südhafen von Helgoland als Servicepunkt für Windkraft-Offshore-Aktivitäten auserkoren wurde, rückt eine Debatte um die Sicherheit der damit befassten Beschäftigten in den Vordergrund. Auf einmal wollen die Verantwortlichen das explosive Zeug doch beseitigen. Über das Wann und Wie gibt es allerdings noch keine konkreten Informationen. Meeresschützer und NABU sprechen sich für den Einsatz von Robotertechnik aus, um Sprengungen zu minimieren, die auch immer eine Belastung für Meerestiere darstellen.
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