Montis Spiel mit dem Feuer
Ministerpräsident Italiens entfacht mit Berlusconi-Kritik und weiteren Kürzungen Wahlkampfstimmung
Mario Monti kann auch austeilen. Das bewies der Chef der Technokratenregierung in Rom nun auch gegenüber seinen politischen Kontrahenten in Italien. In einem Interview mit dem »Wall Street Journal« äußerte sich der Mailänder Wirtschaftsprofessor abfällig über seine Vorgängerregierung um Silvio Berlusconi: Mit ihr, so Monti, läge der Spread bereits bei 1200 Punkten. Spread ist das Schreckenswort der italienischen Wirtschaft: Der Zinsunterschied zwischen italienischen und bundesdeutschen Anleihen markiert, wo das Belpaese auf dem Krisenbarometer steht. Liegt der Wert über der 500-Punkte-Marke, wird es kritisch. Dann steigen die auf Anleihen zu zahlenden Zinsen auf über sieben Prozent und Italien bekommt große Schwierigkeiten, sich frisches Kapital am Markt zu besorgen.
Montis Behauptung, unter Berlusconi würde der Spread auf 1200 Punkte hochschnellen, ist also ein Faustschlag in das Gesicht der Mitte-Rechts-Koalition. Entsprechend fiel die Reaktion aus den Reihen der Berlusconi-Partei Volk der Freiheit (Pdl) aus. Deren derzeitiger Sekretär, Ex-Justizminister und Intimus Berlusconis, Angelino Alfano, drohte sogleich, sämtliche Gesetzesvorlagen, die von der Regierung eingebracht würden, platzen zu lassen.
Berlusconi erklärte, Monti steuere mit seinem Verhalten auf vorgezogene Neuwahlen hin. Sarkastisch kommentierte der Medienmogul: »Nach Monti wird es keine weitere Regierung Monti mehr geben«. Er hätte das Terrain einer »technischen Regierung« verlassen und sich zum ersten Mal politisch positioniert. Das sei nicht hinzunehmen.
Die römische Zeitung »La Repubblica« sah in der Berlusconi-Partei einen »Vulkan kurz vor dem Ausbruch«. Der Pdl-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Fabrizio Cicchitto, nannte Montis Spruch eine »dumme Provokation«. Und Alfano setzte noch eins drauf: »Die Worte des Ministerpräsidenten sind politisch unsinnig und wissenschaftlich unerklärbar für einen Ökonomen wie ihn.«
Rom wirkt nach dem Interview Montis wie ein aufgescheuchter Ameisenhaufen. Die Spitzen der Parteien Zukunft und Freiheit (Fli) Gianfranco Finis und der Zentrumspartei Udc um Pierferdinando Casini trafen sich mit dem abtrünnigen Pdl-Senator Giuseppe Pisanu. Berlusconi rief die Pdl-Führung in den Palazzo Grazioli. Und auch die Sozialdemokraten der PD um Pierluigi Bersani ringen um ein Wahlbündnis. Vom Sommerloch ist in Italiens Hauptstadt nichts zu spüren. Der Wahlkampf für die Parlamentswahl 2013 ist bereits entbrannt.
In dieser heiklen Situation versuchte Monti, Wasser aufs Feuer zu gießen. In einem Telefonat mit Berlusconi erklärte der Premier, er habe lediglich mit polemischen Worten die Gefahr der Krise verdeutlichen wollen. Er entschuldigte sich beim Cavaliere, die Lage überspitzt dargestellt zu haben. Sein einziges Ziel sei die Konsolidierung Italiens.
Mit Äußerungen wie gegenüber der US-Wirtschaftszeitung kann dies bei der derzeitigen Stimmung im Land kaum gelingen. Erst jüngst hatten sowohl Berlusconi als auch dessen Medien Deutschland und seine Kanzlerin scharf angegriffen. Bei dem Versuch, auch diese Spannungen zu entschärfen, war Mario Monti in diplomatische Fettnäpfchen getreten. Nach dem jetzigen Konflikt wird es für die technische Regierung noch schwieriger werden, ihr Konsolidierungs- und Wachstumsprogramm umzusetzen, zumal jüngsten Statistiken zufolge das Bruttoinlandsprodukt im Jahresdurchschnitt um 2,5 Prozent gefallen ist.
Allen voran die Gewerkschaften äußerten sich besorgt über diese Entwicklung. Raffaele Bonanni, der Vorsitzende des katholisch verwurzelten Gewerkschaftsverbundes CSIL, stellte Monti ein schlechtes Zeugnis aus. Der Premier begreife nicht den »tödlichen Ernst« der Situation und versuche mit ungeeigneten Mitteln der Lage Herr zu werden. Wachsenden sozialen Spannungen würden die Arbeitnehmervertretungen, die nach Bonanni glücklicherweise stark seien, nicht tatenlos zuschauen.
Für den 28. September ist ein Generalstreik angekündigt. Dabei wird auch gegen die neuen, am Dienstag verabschiedeten Kürzungen insbesondere bei Staatsausgaben demonstriert werden. Rund 26 Milliarden Euro sollen bis 2014 etwa durch die Senkung der Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst eingespart werden.
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