Polen sollen selbst Schildbürger werden

Heiße Debatte um ein nationales Raketenabwehrsystem

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Wie seltsam es auch klingt: Polen will und muss ein eigenes Antiraketensystem haben. Das sagte zum zweiten Jahrestag seiner Amtsführung Staatsoberhaupt Bronislaw Komorowski in einem Interview mit der Wochenzeitschrift »Wprost«.

Er habe der Regierung vorgeschlagen ein solches Raketenschild-Projekt anzugehen, so Präsident Komorowski. Zwar sei dies nicht ganz einfach, aber der Verlass auf die US-Offerte sei ein Fehler gewesen. Es vergeht seitdem kein Tag, an dem der Chef des im Präsidentenamt fungierenden Büros für Nationale Sicherheit (BBN), General Stanislaw Koziej, nicht in Interviews und Mediengesprächen über die absolute Notwendigkeit eines nationalen Antiraketenschildes räsoniert.

Polen als NATO-Grenzstaat müsse über offensive Mittel zur Bekämpfung von Raketen verfügen, sagte der General in TVN24. Im Falle eines Konflikts wäre nämlich Polen in erster Reihe Ziel eines Raketenangriffs.

Es bestehe ebenfalls die Gefahr, zum Opfer einer Erpressung seitens jener Staaten zu werden, die an unserer Grenze Raketen aufstellen könnten.

Der Hofstratege des Präsidenten führte aus, dass bereits im November 2011 in einem von allen Verantwortlichen akzeptierten Plan zur Entwicklung polnischer Streitkräfte in den Jahren 2013 bis 2020 das »polnische Schildprojekt« als Aufgabe formuliert worden ist. Zwar sei momentan eine direkte Bedrohung nicht sichtbar, aber »das bedeute nicht, dass die Wahrscheinlichkeit eines Konflikts, an dem Polen beteiligt sein könnte, gering ist«. Polen ohne Antiraketenschild sei wie ein Kind im Nebel.

Der führende Militär berief sich auf eine allgemeine Akzeptanz dieser »Strategie« durch alle ernst zu nehmenden politischen Kräfte im Lande. Er sagte auch, dass sich die hohen Kosten (etwa 15 Milliarden Zloty) durch den Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts tragen lassen würden und dass der Militäretat im Haushalt weiterhin nur 1,5 Prozent des BIP in Anspruch nehmen werde.

In einem »Komorowski auf dem Schild« betitelten Text in der linken Wochenschrift »NIE« schaut Agnieszka Wolk-Laniewska in die Kulissen des »polnischen Projekts«. Im September 2011, also einen Monat vor der Formulierung des Ausbauplanes für polnische Streitkräfte, unterzeichneten Polen und die USA ein »gemeinsames Memorandum über die Gegenseitigkeit beim Ordnen von Verteidigungsgegenständen«. Blicke man da genau hinein - so die Autorin -, werde klar, dass Polen die Technologie für den Bau der SM-3-Raketen zu kaufen habe, die genauso teuer sei wie die von den USA Polen aufgezwungenen F-16-Kampfflugzeuge vor zehn Jahren.

Laut »Super-Express« gibt es noch eine andere Spur im Raketen-Spleen. Verteidigungsminister Tadeusz Siemionek ließ wissen, Polen plane den Antiraketenbau gemeinsam mit Deutschland und Frankreich. Radoslaw Sikorski dagegen, Außenminister der Regierung von Donald Tusk und vorher Chef des Verteidigungsressorts im Kaczynski-Kabinett, lobte Komorowskis »Schildpläne«, ergänzte aber, diese müssten im Rahmen der NATO mit den USA realisiert werden.

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