Ignoranz der Zuständigen
Studie: Behörden verharmlosen rechte Gewalt trotz NSU-Skandals
Der Report »Das Kartell der Verharmloser«, der gestern in Berlin vorgestellt wurde, zeigt beispielhaft an acht Bundesländern, unter anderem Thüringen und Nordrhein-Westfalen, wie Überfälle mit rechtsextremen Motiven von Polizei und Politik verharmlost und kleingeredet werden. Nicht selten werde die Schuld für Beleidigungen und Übergriffe sogar bei den Opfern selbst gesucht, Täter würden stattdessen in Schutz genommen, so die Studie.
Die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Marion Kraske, die den 32-seitigen Report im Auftrag der Amadeu Antonio Stiftung verfasste, kommt zu dem ernüchternden Urteil, dass in vielen Städten und Gemeinden weiterhin eine »Kultur des Wegschauens« herrsche. Das bundesweit verbreitete Ausmaß an Ignoranz und der Mangel an Zivilcourage bei Polizei, Justiz und politisch Verantwortlichen gegenüber diesem Thema habe sie erschreckt, sagte Kraske. Die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds seien dabei nur die Spitze des Eisbergs. Momentan stünde allein das Versagen des Verfassungsschutzes im Mittelpunkt der Politik, so die Kritik, der rechtsextreme Alltagsterror hingegen gehe fast gänzlich unter.
In vielen Kommunen sei der öffentliche Raum von rechtsextremen Gruppen bestimmt. Oft werden rassistische Übergriffe von der Polizei als normale Schlägerei oder Diskussion um das Rauchverbot abgetan und tauchen in keiner Statistik über rechtsextrem motivierte Taten auf, so der Report. Die Verharmlosung rechtsextremer Übergriffe sei ein gesamtdeutsches Phänomen, wie die Studie belegt. Einziger Unterschied sei jedoch, dass die rechte Szene in Westdeutschland von der Öffentlichkeit und der Politik immer noch völlig unterschätzt werde. Ein Umdenken habe erst nach dem Bekanntwerden der NSU-Morde stattgefunden, sagt Claudia Luzar von der Opferberatung Back Up aus Nordrhein-Westfalen. Bisher ist Back Up in den alten Bundesländern die einzige Mobile Beratungsstelle gegen Rechts. Das Wissen über die rechte Szene und die Anzahl der verübten Straftaten sei deshalb nur oberflächlich.
Engagierten Beratungsstellen würden zudem lästige bürokratische Hürden auferlegt, die sie von ihrer eigentlichen Arbeit abhielten, beschwerte sich Katja Fiebiger von der Mobilen Beratungsstelle in Thüringen. Die Projekte müssten sich oft von Antrag zu Antrag hangeln, um an öffentliche Gelder zu kommen. Insgesamt stellt die Bundesregierung für die Arbeit gegen Rechtsextremismus 24 Millionen Euro bereit. Kürzungspläne wurden im vergangenen Jahr erst nach heftiger Kritik fallen gelassen.
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