Friedensgebete in Assams Moscheen

Indiens Nordostler fürchten Rache der Muslime

  • Hilmar König
  • Lesedauer: 3 Min.
Der nordöstliche indische Unionsstaat Assam wird seit Juli von Unruhen zwischen hinduistischen Bodo-Gemeinschaften und Muslimen erschüttert. Am Id-Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan blieb es jedoch ruhig.

»Wir haben in Andachten am Montag für dauerhaften Frieden in Assam gebetet. Die wahre Bedeutung des Islam ist Frieden«, erklärte Anowar Hussain, der Imam der Burha-Jame-Moschee in Guwahati, der größten Stadt Assams, vor Journalisten. Auch Chefminister Tarun Gogoi hatte die Hoffnung geäußert, dass das Opferfest Id dem Unionsstaat im nordöstlichen Indien Frieden und Eintracht bringen möge. Dafür hätten sich alle Bürger gemeinsam einzusetzen. Die Appelle wurden offenbar befolgt. Zumindest am Montag kam es laut Polizeiangaben nicht zu gewaltsamen Zwischenfällen.

Tags zuvor waren elf aus dem Nordosten stammende Personen nahe Jalpaiguri im Nachbarstaat Westbengalen, aus einem fahrenden Zug geworfen worden. Zwei starben, neun wurden verletzt. Sie waren aus anderen Teilen Indiens kommend auf der Heimreise.

Die gewalttätigen Unruhen, die im Juli und Anfang August zwischen Angehörigen der Bodo-Volksgruppe und muslimischen Siedlern in Assam tobten, hatten auch Auswirkungen auf andere Nordostler, die in Mumbai, Pune, Hyderabad und Bangalore leben, arbeiten oder studieren. Ihnen wurde in den letzten Wochen per Internet Gewalt angedroht. Es hieß, Muslime in verschiedenen Gegenden Indiens würden sich auf Revanche an Nordostlern für die Toten in Assam vorbereiten. Das ließ die Heimkehrwelle nach Assam anschwellen. Über 30 000 Menschen sollen zurück in den Nordosten geflohen sein. Die indische Staatsbahn setzte Sonderzüge ein. Auch am Montag trafen zwei Sonderzüge aus Banglore mit über 2000 Passagieren in Guwahati ein.

Das indische Innenministerium behauptete am Sonnabend, die Mehrzahl dieser Mails sowie manipulierte »Beweisfotos« stammten aus Pakistan - und beschwerte sich daraufhin in Islamabad. Dort wies man das zurück. Wann immer Indien innere Probleme habe, wolle es den Pakistanern den Schwarzen Peter zuschieben, lautete die Antwort. Solche Kommentare vergrößerten nur den ohnehin bestehenden Vertrauensmangel zwischen Delhi und Islamabad. Assams Chefminister Gogoi vermutete von Anfang an »ausländische Hände« hinter den Gewaltausbrüchen. Das ernste Problem bagatellisiert er damit.

Der Anlass für die blutigen Zusammenstöße in Assam, denen in den Distrikten Kokrajhar, Chirang und Dhubri 77 Menschen zum Opfer fielen, und die eine Flucht von über 400 000 Menschen zur Folge hatten, blieb bis heute unklar. Spannungen zwischen den einheimischen Bodos, die etwas über fünf Prozent der Bevölkerung Assams bilden und zu 90 Prozent Hindus sind, und den angeblich illegal aus Bangladesch eingewanderten Muslimen bestehen seit Jahrzehnten.

Nach dem jüngsten Zensus des Jahres 2011 beträgt der muslimische Bevölkerungsanteil in Assam 31,3 Prozent. Allein in Guwahati gibt es rund 300 Moscheen. In elf von 27 Distrikten stellen Muslime, die auch aus dem benachbarten indischen Staat Westbengalen stammen, die Mehrheit.

Die Bodos befürchten nun, in den von ihnen besiedelten Distrikten zur Minderheit zu werden. Seit Ende der 80er Jahre kämpfen sie um Selbstbestimmung und verfügen seit 2003 über ein autonomes Verwaltungsgremium, den Bodoland Territorial Council. Außerdem sind noch einige militante Gruppen aktiv. Die Bodos beklagen einen Mangel an Rechten und eine Vernachlässigung ihrer Gebiete bei Entwicklungsvorhaben. Eine Einwanderung ostbengalischer Muslime, die Indien aus humanitären Gründen tolerierte, begann 1971/72, verstärkt durch die Staatenbildung Bangladeschs (früher Ostpakistan).

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