Champagner für den entlassenen Häftling

Der kasachische Regisseur Bolat Atabajew wird in Deutschland mit der Goethe-Medaille geehrt

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 2 Min.
Gerade noch in kasachischer Untersuchungshaft, bereist Regisseur und Theaterleiter Bolat Atabajew derzeit Deutschland. Am 28. August wird er in Weimar die Goethe-Medaille entgegennehmen.

»Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.« Bolat Atabajew zitiert Brecht, wenn er über sich und seine Heimat spricht. In Deutschland wird er selbst derzeit wie ein Held behandelt, in Kasachstan wie ein Verbrecher. Dabei ist der 60-jährige Regisseur, Mitbegründer des Deutschen Theaters in Almaty und heute Leiter seines Theaters Aksarai, seit 1998 Verdienter Künstler der Republik Kasachstan.

Aber kürzlich verbrachte Atabajew 20 Tage im Gefängnis der westkasachischen Stadt Aktau. Er hatte sich im vergangenen Jahr mit den Ölarbeitern von Shanaosen solidarisiert, die sieben Monate lang für die Auszahlung gesetzlich zugesagter Lohnzulagen streikten. Am 16. Dezember - Kasachstans Unabhängigkeitstag - kam es in der Ölarbeiterstadt zu gewaltsamen Ausschreitungen. Sicherheitskräfte schossen mit scharfer Munition auf Protestierende, nach offiziellen Angaben kamen 16 Menschen ums Leben.

Zwar wurden einige Behördenchefs und Ölmanager entlassen, auch fünf Polizisten wurden verurteilt, doch die Verursacher des Konflikts sah Kasachstans Regierung in »äußeren Kräften«. Und Bolat Atabajew gehörte angeblich dazu. Er war zweimal nach Shanaosen gefahren und hatte in Almaty eine Benefizaufführung organisiert, um auf die Probleme der Ölarbeiter aufmerksam zu machen, die den Reichtum Kasachstans erwirtschaften, selbst aber in ärmlichen Verhältnissen leben. Zudem sah er, wie der Künstler jetzt in Berlin vor Journalisten erklärte, in den Protesten erste Zeichen der dringend notwendigen Entwicklung einer Zivilgesellschaft in seinem Lande, wo Präsident Nursultan Nasarbajew seit 20 Jahren »wie ein Monarch« herrsche und wo »Korruption zur nationalen Idee« geworden sei.

Atabajew wurde jedenfalls wegen »Anstiftung zu sozialen Unruhen« angeklagt und - als er die Vorladung zu Vernehmungen ausschlug - am 15. Juni verhaftet. Allerdings sorgte dies für heftige Proteste auch in Deutschland, wo sich Künstler wie Regisseur Volker Schlöndorff und mehrere Bundestagsabgeordnete für ihn einsetzten. Atabajew wurde am 4. Juli aus der Haft entlassen und per Flugzeug - »Businessclass, bewirtet mit französischem Sekt und Stör« - wieder nach Almaty geflogen.

Doch Leidensgefährten sind noch in Haft oder stehen, wie derzeit Wladimir Koslow, Chef der nicht zugelassenen Partei Alga!, wegen »Umsturzversuchs« vor Gericht. Das bereite ihm ein schlechtes Gewissen, räumt Atabajew ein und fordert Regierung und Wirtschaft in Deutschland auf, Verträge mit Kasachstan nur zu schließen, wenn die politischen Gefangenen freigelassen werden.

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