Kohle schwärzt Zukunft des Premiers

Indiens Opposition fordert wegen »monumentaler Korruption« seinen Rücktritt

  • Hilmar König
  • Lesedauer: 3 Min.
Indiens politische Opposition, allen voran die rechte Indische Volkspartei (BJP), macht wieder einmal mobil gegen Premierminister Manmohan Singh. Sie fordert wegen »monumentaler Korruption« seinen Rücktritt.

Der Regierungschef sei moralisch verantwortlich für »Coalgate«. Gemeint sind Machenschaften bei der Vergabe von Bergbaulizenzen an Privatunternehmen. Die Rede ist vom Verhökern, Verschachern und Verschleudern der Konzessionen durch Beamte.

Das Zentralparlament in Delhi wird seit Tagen von der BJP und ihren Verbündeten an normaler Arbeit gehindert. Abgeordnete der Opposition blockieren lautstark jegliche normale Arbeit der Volksvertretung und scheuen auch nicht vor Handgreiflichkeiten zurück. Diesmal, so glauben sie, zwingen sie den angeschlagenen, sowieso nie kämpferisch agierenden Manmohan Singh auf die Matte. Sie hoffen damit, die für 2014 angesetzten Parlamentswahlen vorziehen zu können. Am Montag gelang es dem Premier immerhin, in einer kurzen Erklärung vor den Abgeordneten alle Vorwürfe als »unbegründet und nicht auf Fakten gestützt« zurückzuweisen.

Keine Frage, dass das von der Kongresspartei geführte Regierungsbündnis, die Vereinte Progressive Allianz, vor allem wegen einer Reihe von Bestechungsskandalen in verschiedenen Bereichen - vom Sport bis zur Telekom - wiederholt angezählt wurde und unter Druck steht. Nicht nur von der parlamentarischen Opposition, sondern auch von Bürgerbewegungen des Anna Hazare und des Yoga-Gurus Baba Ramdev.

Mit »Coalgate« erhalten solche Angriffe nun neue Munition. Geliefert wurde sie ausgerechnet vom zentralen Rechnungshof Indiens. Ihm fielen »Unregelmäßigkeiten« bei der staatlichen Vergabe von Konzessionen für den Kohlebergbau an Privatunternehmen auf. Mindestens 15 Firmen sollen Nutznießer gewesen sein, dem Staat seien dadurch Verluste von etwa 33 Milliarden Dollar entstanden.

Von 2006 bis 2009 stand der Premier auch dem zuständigen Ministerium vor. Der Verkauf war mit dem Argument begründet worden, man müsse die Produktion von Elektroenergie ankurbeln. Tatsächlich beruht die in Indien zu zwei Dritteln auf der Kohleverstromung. Und der tagelange Zusammenbruch des Energienetzes Anfang August in Nord- und Mittelindien belegt, wie prekär die Lage in diesem Sektor ist.

Insgesamt 195 Reviere mit Rohstoffreserven von 44,23 Milliarden Tonnen Kohle gingen in Privathand über, die meisten davon zwischen 2006 und 2009. Nur: Die Elektroenergiemisere wurde dadurch nicht beseitigt. In lediglich 28 Revieren baut man inzwischen das »schwarze Gold« ab, insgesamt 38 Millionen Tonnen pro Jahr.

So besteht der Verdacht, dass die bisher nicht genutzten Reviere von jener Privathand, die sie billig erworben hat, mit hohem Gewinn in andere Privathände gegeben werden, wenn der weiter wachsende Bedarf an elektrischem Strom solche lukrativen Geschäfte ermöglicht. Indiens Zentrale Ermittlungsbehörde CBI musste unterdessen »Anomalien« im Kohlesektor zugeben; etliche Privatunternehmen, vor allem in den Unionsstaaten Jharkhand, Chhattisgarh und Karnataka, hätten falsche Angaben gemacht, um in den Besitz der Konzessionen zu kommen. Die Kongresspartei hüllte sich zu der Affäre auffällig lange in Schweigen. Es bedurfte erst eines Machtwortes der Parteivorsitzenden Sonia Gandhi, die ihre Parlamentsabgeordneten am Wochenende aufforderte, sich nicht zu verteidigen, sondern offensiv zu kontern und auf die in Bestechungsfragen keineswegs weiße Weste der BJP und anderer Oppositionsparteien zu verweisen. Man habe mit der Konzessionsvergabe nichts Verbotenes getan.

Kohleminister Shriprakash Jaiswal stieß danach ins gleiche Horn. Und Finanzminister Palianappan Chidambaram meinte blauäugig, der Nation sei bisher kein Verlust entstanden, da die meisten Reviere doch gar keine Kohle fördern. Ministerpräsident Singh reist an diesem Dienstag erst einmal nach Teheran zum 16. Gipfel der Blockfreien und ist damit zunächst aus der Schusslinie. Das Kapitel »Coalgate« dürfte indes noch längst nicht zu den Akten gelegt sein.

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