Zurück zur Rente mit 60
Immer mehr Franzosen müssen sich etwas zur Pension dazuverdienen
Die Rente mit 60 war eine der Errungenschaften, die 1981 die Wahl von François Mitterrand zum ersten linken Präsidenten in Frankreich gebracht hat. Zusammen mit der vor Jahren von der Linksregierung unter Premier Lionel Jospin eingeführten 35-Stunden-Arbeitswoche war das Rentenalter ein rotes Tuch für die Unternehmer und die in ihrem Sinne regierende Rechte. Darum gehörte für Nicolas Sarkozy die Rentenreform, mit der er vor zwei Jahren das Rentenalter um zwei Jahre heraufsetzte, zu den wichtigsten Vorhaben - und dass er sie gegen starke Widerstände im Parlament und vor allem in der Öffentlichkeit durchsetzen konnte, erfüllt ihn noch heute mit Stolz. Der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande, der sich vor allem Solidarität auf die Fahnen geschrieben hatte, kündigte die Rücknahme der Rentenreform an - allerdings nur für jeden vierten oder fünften Rentner. Mehr sei angesichts der Krise und der angespannten finanziellen Situation des Staates wie auch des Sozialversicherungssystems zurzeit nicht machbar.
Doch diese »Gegen-Rentenreform« hat der im Mai gewählte sozialistische Präsident bereits im Juni per Dekret in Kraft gesetzt. Damit wird das Rentenalter für diejenigen Arbeitnehmer wieder von 62 auf 60 Jahre gesenkt, die zu diesem Zeitpunkt bereits die volle Zahl der 41,5 Beitragsjahre erfüllt haben. Es sind also diejenigen, die schon seit ihrem 18. Lebensjahr gearbeitet haben und für die es extrem ungerecht wäre, noch zwei Jahre auf ihre Rente warten zu müssen. Betroffen sind davon Jahr für Jahr knapp 110 000 Menschen. Die Zusatzkosten für diese »Gegen-Rentenreform« werden auf jährlich drei Milliarden Euro geschätzt.
Die für viele Franzosen sehr niedrigen Renten bei ständig steigenden Lebenshaltungskosten führen dazu, dass sich immer mehr Rentner einen Job suchen und zuverdienen müssen. Einer dieser Tage veröffentlichten Studie zufolge hat sich ihre Zahl in den letzten sechs Jahren verdreifacht und heute liegt sie bei einer halben Million Menschen bei einer Gesamtzahl von 15 Millionen Rentnern. Zum Vergleich: 2009 lag diese Zahl mit 245 000 nur halb so hoch und 2005 waren es erst 119 000. Von den Rentnern, die weiter in ihrem alten Beruf arbeiten oder die sich einen anderen Job gesucht haben, ist die Hälfte zwischen 60 und 65 Jahre alt und fünf Prozent sind sogar älter als 75.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.