Verschleppte Gerechtigkeit

Karim Popal vertritt Opfer des Kundus-Bombenangriffs

  • Lesedauer: 3 Min.
Karim Popal arbeitet als Rechtsanwalt in Bremen. Er vertritt mehrere Opfer des Luftangriffs bei Kundus, der vor drei Jahren vom Oberst der Bundeswehr Georg Klein befohlen worden war. Über 100 Zivilisten wurden dabei getötet. Mit Popal sprach für »nd« Harald Neuber.

nd: Vor knapp einem Jahr haben Sie in Vertretung mehrerer Opfer des Kundus-Bombardements Zivilklagen in Deutschland eingereicht. Wie ist der aktuelle Stand?
Popal: Das Verfahren ist vor dem Landgericht Köln anhängig. Vor kurzem erst haben wir eine Verfügung erhalten, in der das Gericht signalisiert hat, dass Ende Oktober oder Anfang November konkrete Termine für eine Verhandlung festgelegt werden sollen.

Was fordern Sie für die Opfer des Luftangriffs?
Wir haben uns zur Festlegung der Forderungen zunächst die jeweilige Lage der Familien angesehen. Tatsächlich befinden sich die Familien der Opfer in sehr unterschiedlichen Situationen. Zum Teil sind es Frauen mit mehreren Kindern. Sie alle sind Waisen und Witwen. Unsere Forderung ist, dass die Regierung ihnen eine lebenslange Opferrente nach den lokalen Bedürfnissen zahlt. Für die Waisen soll ein Waisenheim und eine Schule eingerichtet werden.

Die Bundesregierung stellt sich auf den Standpunkt, dass das deutsche Haftungsrecht nicht angewendet werden kann.
Diese Argumentation ist nicht richtig. In der Erwiderung der Klage hat sich die Bundesregierung zunächst sehr zurückgehalten. Dann hat sie fast ausschließlich alte Schriftstücke eingereicht, mit denen die Unzulässigkeit der Klage belegt werden sollte. Richtig ist, dass Herr Klein während des Bombenangriffs gelogen hat. Und mit dieser Lüge hat er gegen internationales Recht verstoßen, das den Schutz der Zivilbevölkerung zwingend vorschreibt.

Sie beziehen sich auf den Funkverkehr während des Angriffs?
Die Piloten der Kampfflugzeuge haben Zivilisten am Boden ausgemacht und wollten abdrehen. Herr Klein hat wider besseres Wissens auf den Angriff bestanden, bei dem zwei Tankfahrzeuge getroffen wurden und mehr als 100 Menschen verbrannten. Er hat im Kontakt mit den Piloten gesagt, dass er angegriffen worden sei. Dabei ist sogar schon weniger strafbar, nämlich nur die Inkaufnahme ziviler Opfer. Und nach Artikel 34 des Grundgesetzes übernimmt der Staat die Schuld, wenn jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm obliegende Amtspflicht verletzt. Unsere Forderung ist also rechtlich begründet.

Wie geht es den Familien?
Sehr schlecht, und auch das ist in der Politik der Bundesregierung begründet. Denn die deutsche Regierung hat sich mit der korrupten Regierung Afghanistans zusammengetan, mit Großgrundbesitzern und Unterdrückern der Frauen und Kinder, damit sie ein Konto bei der Kabul-Bank eröffnen. Diese Leute haben die einmalige Entschädigungszahlung von 5000 Euro pro Opfer eingestrichen. Die Witwen und Waisen haben bis heute nichts erhalten.

Oberst Klein wird General, das Strafverfahren gegen ihn ist eingestellt. Wie bewerten Sie das?
Mit Rechtsstaat hat all dies nichts zu tun, aber mit Kriegspolitik. Wer im Krieg viele Menschen tötet, der muss anscheinend als Held geehrt werden.

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