Marsch der Verzweifelten

Kommentar von Christian Klemm

  • Lesedauer: 2 Min.

Sie haben tausende Kilometer auf sich genommen, sind vor Krieg und Elend davongelaufen und haben zum Teil viel Geld bezahlt, um nach Europa zu gelangen. Doch wie mit Flüchtlingen in Deutschland umgegangen wird, das hätten wohl die wenigsten von ihnen erwartet. Und genau davon haben sie die Nase voll. Keinen Tag länger wollen sie sich mit Schimmel- und Kakerlakenbefall in Asylbewerberheimen zufriedengeben, nicht länger wollen Schutzsuchende hinnehmen, dass ihnen die Behörden zu arbeiten verbieten oder vorschreiben, was sie essen dürfen. Deshalb marschieren sie ab heute von Würzburg nach Berlin. Aus Protest gegen Gesetze, die sie zu Menschen zweiter Klasse machen.

Eines dieser Gesetzes ist die für die Europäische Union einmalige »Residenzpflicht«. Sie schreibt Asylbewerbern und Geduldeten vor, wo sie sich aufzuhalten haben. Mal eben zum Verwandtschaftsbesuch in die nächste Großstadt, das ist für Flüchtlinge oftmals ein schwieriges Unterfangen. Und genau diese Beschränkung der Freizügigkeit dürfte das größte Hindernis bei dem Protestmarsch sein, schließlich liegen zwischen Würzburg und Berlin mehrere Bundesländer, wo die Residenzpflicht entweder eingeschränkt oder vollständig gilt. Die Flüchtlinge riskieren Geld- und sogar Haftstrafen, weil sie zu Fuß von A nach B gehen. Friedlich, ohne Irgendjemandem zu schaden. Das überhaupt als Ordnungswidrigkeit oder Straftat ahnden zu können, ist Ausdruck eines fremdenfeindlichen Systems mitten in Europa.

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