Frankreich in zwei Jahren aus der Krise?
Präsident Hollande kündigt Sparmaßnahmen und neue Steuern für Besserverdiener an
Er habe durchaus Verständnis für die Ungeduld vieler Franzosen und für verbreitete Unzufriedenheit angesichts der hohen Erwartungen, von denen bisher noch nicht viele erfüllt werden konnten, erklärte Hollande am Sonntagabend dem französischen Fernsehsender TF1, »aber man kann nicht in vier Monaten korrigieren, was zuvor fünf Jahre lang falsch gelaufen ist«. Er habe aber einen klaren Plan für seine fünfjährige Amtszeit. Alle wichtigen Maßnahmen würden in den nächsten Wochen und Monaten bis zum Jahresende diskutiert und beschlossen und ab Anfang 2013 schrittweise umgesetzt.
Aber erst in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit sei daran zu denken, dass sich die Lebenslage der Franzosen wieder spürbar verbessert. Bis dahin sei viel »nationale Solidarität« gefordert. Marksteine seien die Einhaltung der Selbstverpflichtung für nur drei Prozent Neuverschuldung im Jahre 2013 und die Rückkehr zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt bis 2017.
Da das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr nicht wie ursprünglich erwartet 1,5, sondern bestenfalls 0,8 Prozent betragen wird, werden für den Haushalt 2013 zusätzliche 30 Milliarden Euro gebraucht. Davon sollen zehn Milliarden Euro aus Einsparungen bei allen Ministerien, außer denen für Bildung, Inneres und Justiz, kommen und je zehn Milliarden Euro aus höheren oder zusätzlichen Steuern für die Unternehmen und für die privaten Haushalte.
An der im Wahlkampf angekündigten Steuer von 75 Prozent auf Einkommen über einer Milliarde Euro, die zwei Jahre lang angewendet werden soll, hält Hollande fest. Dabei werden allerdings andere Steuern mit angerechnet, so dass die eigentliche Einkommensteuer maximal 68 Prozent betragen wird. Außerdem sind Kapitalerträge von der Steuer nicht erfasst. Angehoben wird ferner die Vermögensteuer ISF. Auch für die anderen Einkommensgruppen wird die Einkommensteuer neu gegliedert, wobei sich für die mittleren Einkommen unterm Strich eine Steuererhöhung ergeben wird, während die niedrigsten Einkommen davon verschont bleiben sollen. Bei der Unternehmensteuer werden zahlreiche Steuernischen geschlossen.
Als Hauptproblem neben den Finanzen bezeichnete Hollande die Arbeitslosigkeit, die kürzlich erstmals seit vielen Jahren wieder über die Dreimillionenmarke geklettert ist. Um dem zu begegnen, wurde kürzlich schon ein Gesetz über die Schaffung von 150 000 geförderten Arbeitsplätzen für jugendliche Berufseinsteiger auf den Weg gebracht und in Kürze folgt ein weiteres über einen »Generationenpakt«, der Anreize vorsieht, damit Senioren länger in den Unternehmen beschäftigt bleiben und ihre Berufserfahrung an junge Leute, deren Einstellung ebenfalls gefördert wird, weitergeben können.
Während Präsident Hollande die Polemik um die Ratifizierung des Fiskalpakts nicht erwähnte, ging er kurz auf ein Thema ein, das die Medien das ganze Wochenende über beschäftigt hatte - den Antrag des Milliardärs Bernard Arnault auf Verleihung der belgischen Staatsangehörigkeit. Der Chef des Luxusartikelkonzerns LVMH, dessen Vermögen auf 40 Milliarden Euro geschätzt wird und der damit nicht nur der reichste Mann Frankreichs, sondern ganz Europas sein soll, hatte in den zurückliegenden Wochen vehement gegen die 75-Prozent-Steuer Stimmung gemacht und war in diesem Sinne erst vor Tagen beim Premierminister vorstellig geworden.
Angesichts der Welle empörter Proteste über diese offensichtliche Steuerflucht hat Arnault, der ein persönlicher Freund des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy ist, inzwischen versucht zurückzurudern. Es handele sich um einen Schritt, um künftige Geschäfte in Belgien zu erleichtern, wiegelte Arnault ab. Im Übrigen werde er »selbstverständlich« auch weiterhin seine Steuern in Frankreich bezahlen. Präsident Hollande, der den Plan des Unternehmers als »verwerfliches Signal mangelnder Solidarität mit Frankreich in schweren Zeiten« charakterisierte, will den Milliardär jetzt »beim Wort nehmen«.
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