Anmut und Mühe
Dagmar Manzel sang Hanns Eisler
Ein umfangreiches Programm mit Musik, Filmen und wissenschaftlichem Symposion hat das Gedenken an Hanns Eisler um seinen 50. Todestag zum lebendigen Kulturereignis gemacht. Bei diesen Hanns-Eisler-Tagen wurde deutlich erlebbar, dass das künstlerische Anliegen des Komponisten beträchtliche aktuelle Ausstrahlung besitzt. Man muss seine Stücke nur spielen, seine Konzeptionen aus heutiger Erfahrung durchdenken. Es gilt, einem äußerst vielseitigen Werk erneut adäquate Wirksamkeit zu geben. Ein aufregendes und spannungsvolles Vorhaben.
Schon der klingende Auftakt gab dazu vielerlei Anregung: mit Eisler-Chansons, vorgetragen von der Berliner Schauspielerin Dagmar Manzel und fünf Instrumentalisten. Eine Art Panorama der musikalischen Theaterarbeit des Komponisten: Text und Ton als Einheit berührender oder aufrührender Aussage.
Natürlich stehen die nachfolgenden Interpreten unter dem Eindruck bedeutender Vorbilder wie Gisela May oder Ernst Busch, die von HE selbst inspiriert wurden. Aber Dagmar Manzel hat ein eigenes Profil erarbeitet, eine heutiger Sensibilität verbundene Ausstrahlung und Aussage, die unmittelbar zu fesseln vermögen. Ihre Programmfolge mit insgesamt 23 Titeln bot unterschiedliche Herausforderungen für die stimmliche wie textliche Darstellung. Und: bei Manzel läuft Schauspielerisches und Sängerisches überzeugend zusammen - schon zu bewundern beim Musical »Kiss me, Kate« in Berlins Komischer Oper.
Nun Eisler plus vornehmlich Brecht. Es sind vor allem die unerbittlichen, politisch aggressiven Lieder, mit denen Manzel beeindruckt. So wird »O Fallada, da du hangest«, der bekannte Bericht des armen sterbenden Pferdes zur Anklage und Enthüllung auch heutigen gesellschaftlichen Unheils: »Welch eine Kälte muss über die Menschen gekommen sein«, lautet die bange Frage des Tieres. Zu erleben in dramatischer instrumentaler Steigerung und liedhaftem gesanglichem Ausklang. Da sind weiter Songs aus Brechts politischer Ballade »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« von 1936, die unverblümt gesellschaftliche Hintergründe - bis heute - aufdecken. So das »Lied von der belebenden Wirkung des Geldes«, das schell und schwungvoll daherkommt.
Mehr Besinnlich-Sängerisches gibt es aus dem Hollywood Liederbuch der Emigrationszeit, dem die Manzel feinsinnig zarte Expression verleiht: »Über den Selbstmord« und »An den kleinen Radioapparat« wirken immer noch oder wieder als Psychogramme aus ihrer Heimat Vertriebene.
Dagmar Manzel stellt ihre helle Sopranstimme ganz unter den Sinn des Textes und präsentiert zugleich beachtliches vokales Profil. So bei den weich und lyrisch dargebotenen »Vier Wiegenliedern einer Arbeitermutter« (ebenfalls nach Brecht), deren herbe Gestaltung durch Gisela May einem noch im Ohr ist, und die sie ebenfalls eher sanft mahnend mit dem »Linken Marsch« (nach Majakowski) einleitet, immer noch bekannt durch die kraftvolle Gesangspose des Ernst Busch.
Doch nicht allein die persönliche gesangliche Variante macht das Eigentümliche dieses Eisler-Abends aus. Es ist auch die besondere Kombination von Vokalem und Instrumentalem, die gewissermaßen im Umfeld der interpretatorischen Tradition eine Ausnahme sind: Denn die zumeist als Klavierfassung im Begleitpart überlieferten Kompositionen wurden hier in Bearbeitung mit fünf Instrumenten vorgestellt.
Der in Berlin lebende israelische Pianist, Komponist und Arrangeur Tal Balshai hat nicht nur die Programmfolge erfunden, sondern auch die Instrumentalparts für Klarinette (Bernhard Nusser), Posaune (Sören Fischer), Violoncello (Nikolaus H. Popa) und Schlagwerk (Maren Voermans) nebst dem von ihm selbst gespielten Klavier und Akkordeon eingerichtet. Geistvolle, pointierte Sätze, die dem Ganzen, teilweise auch überleitend und in rein instrumentalen Stücken, Zusammenhalt geben, allerdings manchmal recht klangüppig ausfallen. Dennoch ist das lustvolle Spiel dieser vorzüglichen Musiker eine wahre Freude und sehr Eislerisch dank der instrumentierten Intelligenz.
Das wurde noch mal deutlich mit Vier Liedern aus Brechts »Schwejk im Zweiten Weltkrieg« (1943), die - auch in Erinnerung an die May - in fesselnder künstlerischer Gestik erklangen: grotesk-scharf »Das Lied vom Weib des Nazisoldaten«, deren Geschenke des erobernden Partners bis zum Witwenschleier reichen, und »Das Lied vom schwarzen Rettich«. Folgend der freundliche Gesang »Vom kleinen Wind« und das ermutigende »Lied von der Moldau«. Schließlich als liebevoller Abschluss »Anmut sparet nicht noch Mühe«, Brechts Kinderhymne in sparsamer Diktion. Eigentlich als deutsche Nationalhymne gedacht, darin bisher ohne Erfolg.
Das Publikum im voll besetzten Kleinen Saal des Konzerthauses dankte mit ausgiebigem Applaus. Zugaben, darunter das köstlich ironische, auf unsere Gegenwart zutreffende Tucholsky-Lied »Vom Kompromiss«. Dabei bleibt's politisch wohl erst mal.
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