Wieland: Es wird eng für Henkel
Innensenator wegen V-Mann immer stärker in Erklärungsnot
Nervös wackelte Frank Henkel (CDU) gestern im Abgeordnetenhaus mit den Füßen. Erneut musste er wegen der V-Mann-Affäre Rede und Antwort stehen. Der Berliner Innensenator Henkel geriet wieder in Bedrängnis, nachdem die Bundesanwaltschaft seiner Aussage vom Dienstag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses widersprach, die Karlsruher Ermittler hätten darum gebeten, den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages zunächst nicht über den Berliner V-Mann des Landeskriminalamtes (LKA) zu informieren. Henkel wies diese Aussagen der Generalbundesanwaltschaft (GBA) gestern erneut zurück.
Auch Berlins amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers betonte nochmals: »Es wurde vereinbart, dass weder von Seiten des Generalbundesanwalts noch von Berliner Seite Informationen herausgegeben werden.«
»Dass es eine genaue Absprache gab, wann die Informationen weiterzugeben sind, haben weder ich noch Frau Koppers behauptet«, fügte Henkel im Verfassungsschutzausschuss hinzu. Es sei jedoch darum gegangen, laufende Ermittlungen und das Leben des V-Mannes nicht zu gefährden. »Dabei habe ich mich auf die Einschätzung meiner Polizeispitze verlassen«, betonte Henkel. Der Senator gab jedoch zu, nicht »sensibel genug« auf den Sachverhalt reagiert zu haben.
Der LINKE-Abgeordnete Hakan Taş sieht unterdessen die Glaubhaftigkeit der Behörden in Deutschland und auch in Berlin nachhaltig geschädigt. »Mir reicht es langsam mit den Vertuschungen«, sagte Taş. Die Familien der NSU-Opfer und auch die gesamte Migranten-Community fühlten sich zunehmend verhöhnt. Es sei Zeit, für Aufklärung zu sorgen. Dafür sei allerdings kein Sonderermittler nötig, das müsse Henkel selber tun. »Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst«, konterte Henkel. Deshalb habe er die Schuld auch nicht der Bundesanwaltschaft zugewiesen. Den Berliner Abgeordneten stehe des Weiteren »volle Akteneinsicht« zu.
Dass der LKA-Spitzel Tomas S. bis 2011 als V-Mann tätig war, obwohl er 2005 wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, ist der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann schleierhaft. »Das war dem Verfassungsschutz nicht bekannt«, versicherte Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid. Obwohl ein »intensiver Austausch« zwischen den Behörden stattfinde, werden Namen von Informanten geheim gehalten. Sonst könne man keine Spitzel mehr anwerben. Henkel verteidigte das Einsetzen von V-Leuten. »Die Quellen sind und bleiben wichtig.«
Was genau in den jetzt zugänglich gemachten Akten zum Einsatz des Spitzels Thomas S. mit dem Decknamen »VP 562« steht, dürfen die Parlamentarier aufgrund der Geheimhaltungspflicht nicht sagen. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), der die Akten bereits am Dienstag gesichtet hatte, erhob derweil neue Vorwürfe gegen Henkel: »Ich habe in den Akten keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass der Generalbundesanwalt das Land Berlin gebeten habe, uns keine Informationen zukommen zu lassen.« Auch der Grüne Obmann im NSU-Ausschuss, Wolfgang Wieland, sandte gestern einen neuen Fragenkatalog an den Innensenator. »Es wird eng für Henkel« stellt Wieland am Ende seiner Stellungnahme fest.
Aber wird es das wirklich? Der Linksfraktionschef Udo Wolf im Abgeordnetenhaus mahnte am Mittwoch die »politische Verantwortung« Henkels an. »Er ist der Chef, er hätte sich seit März 2012 persönlich um den Vorgang kümmern müssen«, sagt Wolf. Und wenn es nur ein Anruf beim NSU-Untersuchungsausschuss oder der Bundesanwaltschaft gewesen wäre, was sie vom Vorgang halten. Stattdessen sage Henkel erneut die »Unwahrheit« in der Auseinandersetzung mit der GBA, so Wolf. Henkel selbst wies Rücktrittsforderung indirekt zurück. Im ZDF sagte er: »Es geht doch gar nicht um mich persönlich. Es geht mir darum, dass wir Licht ins Dunkel dieser Angelegenheit bringen.« Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stärkte Henkel den Rücken. »Er wollte nie irgendwo etwas verheimlichen.«
Eine neue Dimension könnte die V-Mann-Affäre indes laut Erkenntnissen des Magazins »Spiegel« erhalten: Demnach führte der Berliner Staatsschutz die Akten zu Thomas S. »lückenhaft«, Teile des Archivs zwischen 2000 und 2003 sollen verschwunden sein. Das wäre eine weitere Facette von Behördenschlamperei im NSU-Desaster - und auch ein weiteres dickes Problem für Berlins Innensenator Frank Henkel.
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