V-Mann suchte Briefkontakt zur Nationalistischen Front
Berliner LKA-Spitzel Thomas S. war in den 90er Jahren eine relevante Figur der rechtsextremen Szene Deutschlands
Es ist nur ein kleiner Auszug aus einer Datei zum rechten »Klartext«-Verlag (Bielefeld, dieser Verlag ist nicht zu verwechseln mit dem Essener Klartext-Verlag). Doch der Eintrag ist aus heutiger Sicht brisant: Durch die Notiz wird nämlich belegt, dass ein gewisser Thomas S., wohnhaft in Chemnitz Am Stadtpark, am 20. Juni 1991 Postkontakt zur Nationalistischen Front (NF) suchte. Zwar sind keine Umsätze mit dem Versandhandel des Verlages verzeichnet, aber aus der Notiz geht hervor, dass Thomas S. Interesse an der antisemitischen »Schluß mit dem Holocaust«-Kampagne der Nationalistischen Front hatte.
Geführt und gepflegt wurde die sogenannte »Klartext«-Datei vom Vorsitzenden der Nationalistischen Front, Meinolf Schönborn, persönlich. Die Notizensammlung war bereits Mitte der 90er Jahre öffentlich geworden. Die NF war im November 1992 als verfassungswidrige Organisation vom Bund verboten worden.
Dass es eine frühe Verbindung zwischen dem NSU-Unterstützer und V-Mann des Berliner LKA, Thomas S., zu Meinolf Schönborn gibt, ist ein weiteres Indiz für die tiefe Verstrickung des V-Mannes in die rechtsextreme Szene jener Zeit. Meinolf Schönborn ist bis in die Gegenwart eine der zentralen Figuren der Grauzone zwischen neonazistischen und rechtsterroristischen Organisationen in diesem Land.
Erst im Juli dieses Jahres wurden bei einer Polizeirazzia gegen eine unbekannte Gruppe gewaltbereiter Neonazis auch die Wohnung und die Geschäftsräume Schönborns und seines Versandhandels durchsucht. Auslöser der Razzia war ein an einem Herzinfarkt verstorbener Rechtsextremist, der von der Polizei in einer von der Lebenspartnerin Schönborns im brandenburgischen Herzberg angemieteten Pension unter anderem mit einem automatischen Gewehr aufgefunden worden war.
Bisher war über den unter anderem wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung vorbestraften Berliner V-Mann Thomas S. bekannt gewesen, dass er während einer Haftzeit 1995, ebenfalls über Briefkontakte, das spätere NSU-Trio der Terrorzelle um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe kennengelernt hatte. In den Nachrichten der rechtsextremen Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG) veröffentlichte Thomas S. am 17. Februar 1995 einen »Brief aus der Gesinnungshaft«.
Mit Zschäpe verband S. eine mehrmonatige Liebesbeziehung. Um ihr zu »imponieren«, lieferte S. dem Neonazi-Trio nach eigenen Angaben Sprengstoff. Schwer aktiv war S. auch in der Sektion Sachsen des rechtsextremen Blood & Honour«-Netzwerkes. Hier war er dafür zuständig, Säle für die Konzerte zu mieten. Laut Experten dürfte S. auch deshalb über »exquisite« Kontakte in die rechte Szene verfügt haben. Ob das Berliner LKA bei der Anwerbung über die Verstrickungen des V-Mannes im Bilde war, wird zu klären sein.
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