Ed Miliband sucht Profil
Heute beginnt in Manchester der Parteitag der Labour Party
Ein Zehnprozent-Vorsprung für die 2010 unter dem glücklosen Gordon Brown grandios gescheiterte Labour Party zeugt von einer bemerkenswerten politischen Erholung: Nach ihrer Niederlage 1997 vergeudeten die Konservativen zehn Jahre und verschlissen drei Parteichefs, bis sie einen ähnlichen Beliebtheitsgrad erreichten. Labour-Chef Ed Miliband befreite sich sofort von der Belastung der tristen New-Labour-Jahre; die einstigen Rivalen Brown und Blair bleiben dezent im Hintergrund oder bereisen die große, weite Welt. Für Miliband ist das gut.
Der Labour-Führer kann auch auf persönliche Erfolge hinweisen. Im Kampf gegen die Machenschaften von Rupert Murdochs abhörenden Journalisten stand er seinen Mann; auf die Londoner Krawalle reagierte er nachdenklicher als der hitzige David Cameron, der alle beschuldigte außer sich selbst. Als Parteimanager hat Miliband seine Fraktion geschlossen hinter sich, was man vom Tory-Premier vor allem in Europa-Fragen nicht sagen kann. Dass die Sozialkürzungen für Bedürftige neben Steuergeschenken an die Reichen Milibands Überzeugungsarbeit kurzfristig erleichtern, ist klar. Obendrein steigt sogar das von der rechten Koalition zum Staatsfeind Nummer 1 erkorene Defizit - kein Wunder, das Arbeitslosenheer schwillt an. Und welcher Normalsterbliche gibt in der Krise Geld aus? Das muss der Staat tun, um Nachfrage zu schaffen, das gilt schon seit Keynes. Aber für Finanzminister George Osborne ist das ein alter Hut. Kurz: Die Regierenden gebärden sich so sozial grausam wie erfolglos. Die Wähler rennen ihnen in Panik davon, Labour profitiert.
In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode werden es Miliband und sein Finanzsprecher Ed Balls jedoch schwerer haben. Sie und ihre Kollegen werden als Alternativregierung genauer unter die Lupe genommen, müssen zeigen, was die bisher schwammige Devise »Kürzungen ja, aber nicht so schnell oder so drastisch« in der Praxis bedeuten soll. Auch Milibands verbaler Angriff von 2011 auf die »räuberischen Abarten des Kapitalismus« muss bald untermauert werden, will er nicht als Maulheld dastehen. Ein eigenes Profil als Premier in spe sollte auch bald her. Ein schwieriges Unterfangen, aber der grundsatzlose Konjunkturritter Blair hat's zwischen 1994 und 1997 blendend geschafft, auch der jüngere Miliband wird das lernen müssen.
Damit nähern wir uns seinem letzten Problem. Bei der Abstimmung um die Parteiführung setzte er sich 2010 nur mit hauchdünner Mehrheit gegen seinen prominenteren, aber allzu Blair-freundlichen älteren Bruder durch, einen früheren Außenminister. Dieser behielt sein Parlamentsmandat, wollte aber dem Schattenkabinett des Jüngeren nicht beitreten. Um jeden Gedanken an einen Bruderzwist im Keim zu ersticken, wäre es gut, wenn auch der talentierte David Miliband unter Ed zu dienen bereit wäre. Die geplante Marschroute lautet also: Ed Miliband zeigt deutlich, wo es für Labour lang geht, Ed Balls nimmt sich die katastrophale Tory-Wirtschaftspolitik vor, und David unterstützt beide. Doch könnte diese Regie genauso gut ein Wunschtraum bleiben.
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