Eigenfinanzierung entscheidet über Jugendherbergen
Berlin (ADN). Wie in vielen früheren staatlichen Einrichtungen der Ex-DDR plagen auch die Leite'r der Jugendherbergen in Berlin und Brandenburg Ängste vor dem Morgen. Doch Hoffnungen, daß finanzielle Gründe die über 80jährige Tradition dieser bei Kindern und Jugendlichen beliebten Unterkünfte nicht beenden, hegen sie auch. Nicht zuletzt haben sie dabei das Vorbild der mehr als 500 Jugendherbergen in den alten Bundesländern vor Augen.
Die wichtigste Voraussetzung für das Überleben der Häuser ist die Eigenfinanzierung. Dazu seien eine 75prozentige Auslastung ihrer Kapazitäten, eine Preissteigerung pro Übernachtung von ehemals 0,25
Mark auf elf bis 17,50 DM, eine Komfortverbesserung und eine Senkung der Betriebskosten notwendig, erläuterte Horst Melchert, Sonderbeauftragter des Deutschen Jugendherbergsverbandes (DHJ) für Berlin-Brandenburg. Letzteres schließe sowohl Personaleinsparungen als auch die Ausrüstung mit effektiveren Heizungen und Kücheneinrichtungen ein. Zudem müßten die Leiter nun mehr Eigenwerbung betreiben, da die „Zeiten zentraler Zuweisungen“ und „nicht unbeträchtlicher Subventionen“ – in DDR-Zeiten betrugen sie jährlich 1,2 Millionen Mark – vorbei seien. Nach der „deprimierenden Sommerflaute“ gebe es wieder Zuversicht, meint Dr. Mel-
chert. Im November waren die Herbergen in Berlin und Brandenburg zu 55 Prozent ausgelastet.
Die größte Hürde bleibe für die Herbergen die Eigentumsfrage. Wie Dr. Melchert erklärte, waren die Häuser 1948 in staatliches Eigentum übergegangen. Gegenwärtig befänden sie sich in Rechtsträgerschaft der Kommunen. Während einige Bürgermeister deutliches Interesse am Erhalt der Einrichtungen gezeigt hätten, verfügten andere darüber wie über ihr Eigentum. So trage sich ein Gemein-“deoberhaupt mit der Idee, die Herberge seines Ortes in ein Stundenhotel umzuwandeln, ein anderes mit dem Verkauf des lukrativen Grundstücks. In solchen Fällen
bliebe nur die „geduldige Argumentation“, Rechtsmittel fehlten, meinte der Sonderbeauftragte.
Der seit Mitte November einheitliche Deutsche Jugendherbergsverband (DJH), dem sich alle Landesverbände im Ostteil angeschlossen hatten, wird sich nun laut Dr. Melchert auch für den Erhalt der mehr als 200 hinzugekommenen Herbergen einsetzen. Priorität habe eine kurzfristige Analyse ihrer Wirtschaftlichkeit. Das kulturelle und Sportangebot solle erhalten und sogar ausgebaut werden. 1991 sollen erste Übernahmen von Häusern in die Rechtsträgerschaft oder in Eigentum des DJH erfolgen. Entsprechende Anträge seien bei der Treuhandanstalt gestellt worden.
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