Die Bush-Regierung hat ihr Etappenziel, von den UNO-Waffeninspektoren eine Begründung für den Irakkrieg geliefert zu bekommen, nicht erreicht. Washington rudert zurück und feilt trotzdem weiter.
Im Bericht von UNMOVIC-Chefinspektor Hans Blix und IAEA-Direktor Mohammed al-Baradei, der dem Sicherheitsrat am Montag nach zweimonatigen Rüstungskontrollen in Irak vorgelegt wurde, heißt es einerseits, Bagdad spiele bei der Aufdeckung möglicher illegaler Rüstungsprogramme nicht mit offenen Karten und lasse viele Fragen unbeantwortet. Andererseits habe Irak zwar nicht in der Substanz kooperiert, sich aber doch zur Zusammenarbeit willig gezeigt. Der Verbleib größerer Mengen des Nervengases VX sei ebenso noch aufzuklären wie der von Milzbrandsporen. »Es reicht nicht, Türen zu öffnen«, sagte Blix, »Inspektionen sind kein Spiel ohne Regeln.« Das Fazit, das der Schwede zum Unwillen der USA zog, die gerne grünes Licht für eine Irakinvasion erhalten hätten: Die Waffenkontrolleure brauchen mehr Zeit. »Diese wenigen Monate wären eine wertvolle Investition in den Frieden«, heißt es in dem Blix-Bericht, »denn sie können uns helfen, einen Krieg zu vermeiden«.
Ursprünglich hatten die USA nach der Verabschiedung der UNO-Resolution 1441 Anfang November letzten Jahres geplant, den 27. Januar als letztes Etappenziel vor dem Auslaufen der Friedensfrist zu nutzen. Doch sowohl der UNO-Bericht, in dem als Ziel internationaler Frieden, nicht Krieg, angegeben wird, als auch die zunehmende Distanz der USA-Verbündeten und die sinkende Zustimmung der US-amerikanischen Bevölkerung zur Bush-Regierung machen Washington vorerst einen Strich durch die Rechnung.
Scharfmacher in den USA reagierten mit der gewohnten Kriegstreiberei der vergangenen Monate. Irak habe die Abrüstungsauflagen der Sicherheitsrats »klar verletzt«, sagte UNO-Botschafter John Negroponte. Inspektionen könnten eine Abrüstung nicht gewährleisten. Vor einer Kriegserklärung würden die USA aber die anderen Mitglieder des Rats konsultieren. Außenminister Colin Powell sprach erneut von einem US-amerikanischen Alleingang gegen Irak. Eine zweite UNO-Resolution könne für die USA keine Vorbedingung für einen Irakkrieg sein. »Die Zeit läuft ab«, sagte Powell.
Ein hochrangiger Regierungsvertreter kündigte am Montagabend (Ortszeit) an, Powell werde nächste Woche Beweise dafür vorlegen, dass das irakische Regime mit dem Al-Qaida-Netzwerk Osama bin Ladens zusammengearbeitet habe. Regierungssprecher Ari Fleischer erklärte, Al-Qaida-Häftlinge hätten ausgesagt, dass Irak das Terrornetzwerk im Gebrauch chemischer Waffen unterwiesen habe. So stichfest scheinen die »Beweise«, die die USA zum wiederholten Male vorzulegen ankündigen, jedoch nicht zu sein. Denn Powell wandte sich nicht rundweg gegen die Vorlage eines neuen UNO-Lageberichts aus Irak am 14. Februar.
Angesichts der Isolierung, in der sich die Irakpolitik der USA zur Zeit befindet, fällt auch das zweite Element des ursprünglichen Etappenplans der Bush-Regierung ins Wasser. Denn Präsident Bush verzichtete auf die Kriegserklärung gegen Irak, die er ursprünglich in seiner Rede an die Nation zum »State of the Union« am Dienstag (nach Redaktionsschluss - d.R.) verkünden wollte. Zu erwarten war darin neben Erörterungen über die wirtschaftliche Situation dennoch die Warnung vor der »Gefahr«, die der Terrorismus und die »Achse des Bösen« im Allgemeinen sowie Irak im Besonderen für die USA und den Weltfrieden darstellten. Was indes seit Monaten ausbleibt, sind »Beweise« und halbwegs logische Rechtfertigungsgründe für einen Irakkrieg.
In diese Kerbe schlagen auch führende Demokraten. Ihr Fraktionschef im Senat, Tom Daschle, fragte am Montag: »Wenn wir atomare und biologische Waffen beweisen können, weshalb zeigen wir der Welt den Beweis nicht - wie Präsident Kennedy dies vor 40 Jahren machte, als er Adlai Stevenson zur UNO schickte, der der Welt USA-Fotos von Angriffsraketen in Kuba zeigte?« Und Nancy Pelosi, Fraktionschefin im Repräsentantenhaus, forderte: »Wir müssen jedes diplomatische Mittel ausschöpfen, bevor wir unsere Truppen schicken.« In einem Brief an Bush verlangten die beiden führenden Demokraten im Militärausschuss des Repräsentantenhauses, Ike Skelton und John Spratt, die UNO-Waffenkontrollen müssten »so lange weitergehen, wie sie Aussicht auf Erfolg versprechen«.
Der Truppenaufmarsch am Persischen Golf geht unterdessen ununterbrochen weiter. Militärexperten gehen nach wie vor davon aus, dass die USA ab Mitte Februar in der Lage sind, innerhalb kürzester Zeit mit überwältigender Überlegenheit im Alleingang zuzuschlagen.
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