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Dokumentarfilmer und Schriftsteller Michael Moore setzte am 27. März in der Riverside Church in New York City seine abgebrochene Rede zur Oscar-Verleihung fort

  • Uta Veneman
  • Lesedauer: 6 Min.
Time's up!«, sagt der Dokumentarfilmemacher und Schriftsteller Michael Moore (»Bowling for Columbine«, »Stupid White Men«) dem Weißen Haus über sein Handy vor Tausenden von jubelnden Anhängern auf einer Veranstaltung in der vollbesetzen Riverside Church in New York City am Donnerstag, den 27. März. Dies ist nicht das erste und vermutlich nicht das letzte Mal, dass Michael Moore die Bush-Regierung angesichts des verbrecherischen Krieges gegen Irak und der von Tag zu Tag wachsenden Zahl unschuldiger Opfer zum Rücktritt auffordert. Schon bei der Oscar-Verleihung hatte Michael Moore der Bush-Regierung vor Millionen von Zuschauern weltweit mitgeteilt, dass ihre Zeit abgelaufen sei.
Die Riverside Church, in der Michael Moore diese jüngste Rede hielt, ist nicht nur irgendeine Kirche, in New York City. Es ist die Kirche in der Martin Luther King am 4. April 1967, genau ein Jahr vor seiner Ermordung, seine Rede »Beyond Vietnam« (Jenseits von Vietnam) hielt. Und so war die Überschrift der Veranstaltung, in deren Rahmen Moore sprach, »Echoes of Martin Luther Kings "Beyond Vietnam", An Evening of Resistance to the War on Iraq« (Echos der Martin Luther King Rede »Jenseits von Vietnam«, Ein Abend des Widerstandes gegen den Irak-Krieg). Andere Sprecher und Performer dieser vom New Yorker Community Radiosender WBAI und der Riverside Church gesponserten Veranstaltung waren u.a. Schauspieler Ossie Davis, Democracy Now Radiojournalistin Amy Goodman, Pete Seeger, Tom Chapin und Rev. Herbert Daughtry.
Die Rede »Jenseits von Vietnam« war Kings erste bedeutende Rede zum Vietnamkrieg. Doch leider sind die Reden der letzten Jahre seines Lebens (1965-1968) in den USA weniger bekannt, denn er begann, über die rassistische Unterdrückung hinaus auch die großen Einkommensunterschiede zwischen Reichen und Armen in diesem Land anzuprangern und »radikale Änderungen in der Struktur unserer Gesellschaft« zu fordern. In »Jenseits von Vietnam« wies er insbesondere auf die Verbindung zwischen dem Kriegführen gegen andere Länder und rassistischer Unterdrückung und Armut im eigenen Land hin und verurteilte seine Regierung als »die größte Gewaltausüberin in der heutigen Welt«:
»Die Amerikaner zwingen sogar ihre Freunde dazu, ihre Feinde zu werden. Es ist seltsam, dass die Amerikaner, die so vorsichtig kalkulieren, um einen militärischen Sieg zu erzielen, nicht erkennen, dass sie im Begriff sind, eine tiefe psychologische und politische Niederlage zu erleiden. Das Bild von Amerika wird nie wieder das Bild der Revolution, der Freiheit und der Demokratie sein, sondern das Bild der Gewalt und des Militarismus.«
Die Worte, die King damals sprach, sind heute noch höchst relevant. Und wie Millionen von Menschen in der Welt in der letzten Woche für Frieden demonstriert haben, um diesem Wahnsinn ein Ende zu machen, so forderte King damals: »Somehow this madness must cease. We must stop now.«
Am 27. März 2003, 36 Jahre später, hält Michael Moore in derselben New Yorker Riverside Church eine ebenso leidenschaftliche Rede gegen einen ebenso wahnsinnigen Krieg. Es ist die Rede, die er bei der Oscar-Verleihung am letzten Sonntag begann, und da man ihn dort aber nicht ausreden ließ, hier erst zu Ende führen kann.
»Die Kinder von Columbine haben in der vergangenen Woche etwas Wichtiges gelernt. Sie haben gelernt, dass Gewalt ein akzeptables Mittel ist, um Konflikte zu lösen. Das ist es, was die Kinder aller Columbines (Columbine High Schools) in Amerika gelernt haben, dass es okay ist, zu töten, wenn dir irgendjemand anderes nicht passt. Das ist die wichtige Sache, die sie in der letzten Woche gelernt haben, und es ist sehr sehr traurig, dass wir Erwachsenen ihnen dies beigebracht haben.«
So traurig und so deprimierend die ganze Situation ist, Michael Moore bringt seine Zuhörer trotzdem immer wieder zum Lachen. Er sagt, dass er es nicht mehr länger ertragen konnte und seinen Fernseher ausschalten musste, angesichts der vielen Generäle, die in den Fernsehsendungen ausgegraben werden; dass es ihm scheint, als ob das US-Militär nicht nur Irak sondern auch die US-Medien überfallen hat. Dann fordert er lautstark, ab sofort alle US-Truppen aus allen Fernsehkanälen, ABC, NBC, CNN, Fox, usw., und aus Irak abziehen. »US troops come home! US troops come home!«
Anschließend nimmt er mit seinem genialen Witz und Humor die Gründe auseinander, die von der Bush-Regierung und den hörigen Medien für diesen Krieg angeführt werden. Er spielt Osama bin Laden: »Osaaaama bin Laden! Ich bin der Kopf, der hinter allem Bösen in dieser Welt steckt. Ich, ich ganz allein!« Michael Moore gelingt es, das Klima der Angst, das die gegenwärtige Administration tagtäglich schürt, um das amerikanische Volk zu manipulieren und die Demokratie weiter zu unterhöhlen, in Lachen aufzulösen. Was bleibt, ist die Ungeheuerlichkeit dieser Invasion. Denn laut Michael Moore ist niemand in den USA leidenschaftlich für diesen Krieg und dafür, die irakische Bevölkerung zu morden.
Der einzige Grund, weshalb die Umfragen zur Zeit ergeben, dass die Zustimmung zum Krieg hoch ist, ist der, dass die Mehrheit der Befragten arme Amerikaner und Amerikaner der Arbeiterklasse sind, deren Kinder und Nachbarskinder in Irak als Soldaten kämpfen. Sie wollen nichts sagen, was ihren Kindern oder Nachbarskindern schaden könnte. Sie sagen etwas Positives, weil sie Angst haben, etwas gegen den Krieg zu sagen, weil sie wollen, dass ihre Kinder oder die Kinder ihrer Nachbarn lebend und unverletzt nach Hause kommen.
Meinungsumfragen haben ergeben, dass die Mehrheit der Amerikaner für stärkere Umweltgesetze ist, Gewerkschaften und das »Roe vs. Wade Law« unterstützt (das US-Gesetz, das 1973 die Abtreibung legalisierte) und diesen Krieg nicht ohne die Unterstützung der UN anfangen wollte. Amerikaner sind in der Mehrheit progressiv und liberal eingestellt. »Sie haben nur keine liberalen Politiker, da das heute zu einem Widerspruch in sich geworden ist«, sagt Michael Moore.
»The good news are«, sagt Michael Moore, dass die Mehrheit der Amerikaner gegen diesen Krieg ist, egal was die Medien berichten. Und er ist nicht nur fest entschlossen, diesen Krieg zu stoppen. Nein, er geht schon einen Schritt weiter, er sieht das Ende der Bush-Regierung. »It's so over for him!« Und dann ruft er gemeinsam mit Tausenden von Kriegsgegnern das Weiße Haus an: 1-202-456-1414. Es herrscht absolute Stille in der Riverside Church.
»The White House«, antwortet eine Frauenstimme, und dann brüllt die Menge: »TIME'S UP! TIME'S UP! TIME'S UP....«


Die englische Rede von Michael Moore kann man sich im Internet auf der Webseite von Democracy Now!
www.democracynow.org anhören bzw. ansehen. Siehe Programm vom 28. März, Time's Up: Academy Award winning director Michael Moore tells the White House comment line with thousands of cheering supporters. Links für die Originalrede von Martin Luther King »Beyond Vietnam: A Time to Break Silence« sind http://www.hartford-hwp.com/archives/45a/058.html und http://www.mlkonline.com/
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