Bush hat kein Vertrauen zu den CIA-Weicheiern

Nun versucht sich der militärische Geheimdienst der USA in alten Freund-Feind-Fehlern

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.
Die CIA hat sich schon so manches anhören müssen, doch so verachtet wie von Bush junior fühlten sich die Geheimdienstler allenfalls nach dem Schweinebucht-Debakel.
Schon als die USA in Afghanistan einfielen, soll Verteidigungsminister Donald Rumsfeld geschäumt haben, weil die CIA nicht in der Lage war, die Aufenthaltsorte von Osama bin Laden und Mullah Omar zu ermitteln. Nun muss er das selbe Versagen in Irak erleben - Saddam Hussein ist entwischt und schreibt kecke Briefe. Rumsfeld hat das Ohr des Präsidenten und kann recht gut mit dessen einflussreichen Vize. Bereits mehrmals soll es zu Auseinandersetzungen gekommen sein, weil CIA-Chef George Tenet den Tatendrang der Washingtoner Falken bremsen wollte und sich dabei mit dem ohnehin nur mäßig gelittenen US-Außenminister Colin Powell einig war. Und so bedurfte auch einiger Anstrengung, damit Powell - und mit ihm Tenet als Hintergrundfigur - vor dem UN-Sicherheitsrat »Dokumente« über Iraks Potenzial an Massenvernichtungsmitteln sowie die Komplizenschaft mit der Al Qaida ausbreitete, die bereits damals zu absurd waren, um einen halbwegs akzeptablen Kriegsgrund herzugeben. Konkurrenz belebt das Geschäft. So ist das Pentagon dabei, seinen eigenen Spionagedienst Defense Intelligence Agency (DIA) auszubauen. Nach Auskunft aus Pentagonkreisen sollen die DIA-Spione, ebenso wie die der CIA, verdeckt arbeiten und weltweit eingesetzt werden. Rumsfeld, so sagt sein Assistent Richard Haver, hofft, künftig eine mehrere Hundert Mann starke Elitetruppe zur Verfügung zu haben, die die dann auch die gewünschten Ergebnisse bringen. Gewünscht ist, was Bush und seinen intellektuellen Drahtziehern gefällt. So gehen die Behauptungen der US-Regierung über den angeblichen irakischen Besitz von Massenvernichtungswaffen nicht auf CIA-Daten sondern auf Analysen des eine umstrittene Geheimbehörde des US-Verteidigungsministeriums zurück. Bereits im Oktober vergangenen Jahres berichtete die »New York Times« über die »frustrierten Herren Rumsfeld, sein Stellvertreter Wolfowitz und andere hohe Beamte«. Mangels handhabbarer Informationen »beabsichtigen sie, die Geheimdienste zu politisieren, damit sie ihren falkenhaften Ansichten über den Krieg entsprechen«. Das »Büro für Spezialpläne« (OSP) wird immer mehr zu Bushs Informationsquelle. Und so sind es in der Regel US-Soldaten, die in Irak finden, was zuvor in Washington behauptet wurde: Dazu gehört ein mobiles B-Waffen-Labor. Obwohl bereits am 19. April sichergestellt, präsentierte man es erst vor ein paar Tagen der neugierigen Öffentlichkeit - freilich ohne unabhängige Experten oder Journalisten zuzulassen. So ist es auch mit angeblichen - in einem Talmud versteckten - irakischen Geheimdienst-Informationen über bereits 1991 geplante terroristische Angriffe gegen Israel. Das fündige MET-Alpha-Team stellte Nachbildungen möglicher Angriffsziele sicher. Dazu gehört angeblich ein Modell des israelischen Parlaments sowie Satellitenbilder des israelischen Atomkraftwerks Dimona. Auch eine auf den 20. Mai 2001 datierte Aktennotiz über das Uran-Angebot eines nicht näher bezeichneten »Gotteskriegers« fand man wie gewünscht. Um diese Wünsche erfüllen zu können, verlassen sich die DIA-Leute zumeist auf fragwürdige Typen à la Chalabi aus der irakischen Opposition, von denen sich die CIA aus guten zunehmend Gründen fern hält. Deren Kenntnisse über Irak sind nämlich etwas gediegener und seit Jahren systematisch zusammengetragen. Als eine Quelle gilt Saddam Hussein. Spätestens 1958 hatte man ihn an der Angel. Damals scheiterte ein auch von ihm betriebener Putsch gegen den damaligen irakischen Diktator Abdel Karim Kassem. Saddam floh damals nach Kairo - und dort in die Arme der CIA. Die ermutigte ihn zum abermaligen Putsch nachdem Kassem die Ölindustrie verstaatlichte, sich der Sowjetunion näherte und aufhörte, die irakischen Kommunisten zu verfolgen. 1963 putschte sich die Baath-Partei an die Macht. Tausende wurden verhaftet und hingerichtet - ihr Henker war der irakische Sicherheitschef Saddam Hussein. Doch wie im Falle Afghanistans und Osama bin Ladens hielt auch dessen »Freundschaft« zur CIA nicht lange. Dennoch nutzten sich beide Seiten. Im August 1980 gab die CIA via saudische Vertrauensleute Saddam freie Hand gegen den fundamentalistischen Iran. Im September griff er die iranische Ölprovinz Kusistan an. Doch die Iraner widerstanden. Weil sie einen iranischen Sieg unbedingt verhindern wollte, hatte die Regierung Reagan den Irak schon im Februar 1982 aus der Liste terroristischer Staaten entfernt. So konnte die die CIA über Ägypten Waffen liefern. Der Deal lief so: Kairo bekam neue M-60-Panzer und verkaufte dafür gebrauchte sowjetische T-62 an Irak. Als dessen Fronten dennoch instabil wurden, schickte die CIA kontinuierliche Fotos von US-Spionagesatelliten samt Auswertungsergebnissen. Der Pentagon-Geheimdienst DIA stellte extra über sechzig Mitarbeiter ab. Der damalige CIA-Direktor William Casey - so wurde bei einer Untersuchung des US-Kongresses 1995 deutlich - hat persönlich eingegriffen, damit Irak über genügend Waffen, Munition und Fahrzeuge verfügte. Diese Aussage wurde von der Regierung Clinton prompt zur geheimen Verschlusssache erklärt. So weiß man auch nur skizzenhaft, was der heutige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld als Sonderbotschafter des US-Präsidenten im Dezember 1983 und 1984 in Bagdad zu besorgen hatte. Auf jeden Fall protestierte er nicht gegen den C-Waffeneinsatz der Iraker gegen iranische Soldaten sowie in aufständischen Kurdenprovinzen. Im Gegenteil, man ließ irakischen B-Waffen-Entwicklern aus amerikanischen Beständen, darunter Milzbrand-, Pest- und Botulismus-Bakterien zukommen. Die geheimen Exporte liefen 1985 und 1990. Vier Jahre später rieb man sich im US- Senat verwundert die Augen, als klar wurde, dass die von UN-Inspektoren gefundenen Mikrobenstämme identisch mit jenen sind, die in US-Labors gezüchtet wurden. Als Kongressmitglieder wegen der Kurdenmassaker Sanktionen gegen Saddam Hussein verlangten, legte sich die Regierung quer. So etwas widersprächen US-Interessen und führten dazu, dass amerikanische Firmen vom Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg ausgeschlossen würden. Die Regierung Bush (senior) folgte dieser Politik Reagans, obwohl die CIA zunehmend darauf aufmerksam machte, dass Irak »aus dem Ruder lief«. Statt gegen zu halten, hofierte Washington Saddams Regime weiter. Erst nach Saddams Einmarsch in Kuwait und dem daraus resultierenden Golfkrieg war klar, dass da - wie im Falle Osama bin Laden - ein »Freund« der USA zum Feind der USA mutiert ist. Aus beiden Pannen versuchte man bei der CIA Schlussfolgerungen zu ziehen. Zu denen die Leute bei Bushs und Rumsfelds DIA offenbar nicht in der Lage sind.

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