Im Urwald des Rio Cayapa

Der Ruf des Fayu Ujmu von Rainer Simon

  • Martin Mund
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum dritten Mal kehrte Rainer Simon mit der Kamera nach Ecuador zurück: Nach den »Farben von Tigua« (1994) und »Mit Fischen und Vögeln reden« (1998) verfilmte er nun eine Legende der Chachi-Indianer: »Der Ruf des Fayu Ujmu«. Dieses Projekt ist Resultat einer Videowerkstatt, die der Regisseur gemeinsam mit seinem Kameramann Frank Sputh und dem ecuadorianischen Vertrauten Alejandro Santillán in der kleinen Urwaldgemeinde Loma Linda am Rio Cayapas durchführte. Schon zuvor hatte sich Simon mit der Legendenwelt der Chachis vertraut gemacht; gemeinsam mit den Indianern wählte er dann eine Sage zur Verfilmung aus. »Der Ruf des Fayu Ujmu« erzählt die Geschichte eines Indianerjungen, der in die Gewalt eines bösen Geistes gerät. Während sein Vater mit anderen Männern ein Kanu baut, bricht der 13-jährige Mico, angelockt von geheimnisvollen Tönen, in den Urwald auf und wird später bewusstlos gefunden. Der Schamane erkennt, wer das Kind überwältigt hat: der »Fayu Ujmu«, der seinen Opfern mit einem gewaltigen Schnabel den Kopf aufhackt und ihnen das Gehirn aussaugt. Um den Bann zu brechen, muss Micos Vater den Geist finden und fangen. Rainer Simon verdichtet die kleine Fabel zu atmosphärischen Motiven. Der Film geht vom Alltag der Chachis aus, zeigt Frauen beim Wäschewaschen am Fluss und Männer beim Schlagen eines Baumes. Aus den Bildern der Arbeit schält sich die Story heraus. Auch die Odyssee des Vaters, der sein bewusstloses Kind auf dem Rücken durch den Urwald trägt, ist verbunden mit Alltagsszenen: Der Weg führt vorbei an Mädchen und Jungen, die Gymnastik treiben, über den Dorffriedhof bis hin zur Asphaltstraße, auf der ein Lastwagen Stämme transportiert. Schließlich zeigt Simon eine abgeholzte Gegend: ein Verweis auf die Bedrohung des indianischen Lebensraums. Genau dieser Gedanke - die Zerstörung des Natürlichen durch das Eindringen der »Zivilisation« - fließt auch in die Legende vom Fayu Ujmu ein. Der Geist, vom Vater überwältigt, verwandelt sich plötzlich in einen weißen Touristen (dargestellt von dem Potsdamer Schauspieler Christian Kuchenbuch), der Bonbons an die Kinder verschenkt. Die Sage, der Fayu Ujmu würde Gehirne aussaugen, erfährt eine sehr direkte Deutung. Zu dieser Interpretation haben die Einwohner von Loma Linda, vor allem aber der Hauptdarsteller des Vaters, der Forstingenieur und Lehrer Samuel Añapa, wesentlich beigetragen - die Dreharbeit erfolgte als demokratischer Akt. Dass solche Arbeiten Widerstand gegen Massenkultur leisten, ist für den Regisseur eine Binsenweisheit; wichtiger sind ihm konkrete Erfahrungen und Folgen. Zum Beispiel ist, nachdem er in »Mit Fischen und Vögeln reden« den Alltag des vom Aussterben bedrohten Stamms der Záparo-Indianer skizziert hatte, dort viel geschehen - bis hin zur Tatsache, dass die UNESCO den Stamm zum Weltkulturerbe erklärte! »Der Ruf des Fayu Ujmu« entstand als private Produktion. Jetzt suchen Rainer Simon und Frank Sputh nach einer TV-Anstalt, die sich des knapp dreiviertelstündigen Films annimmt. Kontakt: rainersimonch@t-online.de

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