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  • Lipoprotein A - ein erbliches Infarktrisiko

Natur mit Nebenwirkung

  • Lesedauer: 3 Min.

(ND). Der Patient hat einen niedrigen Cholesterinspiegel, normalen Blutdruck, ist schlank und raucht nicht. Dennoch hat er einen Herzinfarkt erlitten. Eine Spezialuntersuchung liefert schließlich eine mögliche Erklärung: Das Blut enthält in ungewöhnlich großer Menge ominöse kugelförmige Teilchen aus Fett und Eiweiß, Lipoprotein A genannt.

Diese Partikelchen hatte Kare Berg von der Universität Oslo bereits in den frühen sechziger Jahren entdeckt. Ungewöhnlich war, daß er sie nur in etwa einem Drittel der untersuchten Blutproben fand. Tatsächlich ist, wie weitere Studien ergaben, das Vorkommen von Lipoprotein A erblich. Als Berg und Gosta Dahlön vom Zentralkrankenhaus in Boden (Schweden) nach der biologischen Funktion der Teilchen suchten, entdeckten sie: Personen, deren Blut Lipoprotein A enthält, erleiden häufiger einen Herzinfarkt als Angehörige einer Vergleichsgruppe.

Warum? Erste Anhaltspunkte lieferte die Erkenntnis, daß diese Substanz aus zwei vorbelasteten Komponenten besteht. Die eine stimmt mit dem berüchtigten Lipoprotein geringer Dichte (LDL) überein, das als sogenanntes schlechtes Cholesterin einen hochgradigen Risikofaktor für Herzinfarkt darstellt. Die andere Komponente der Kügelchen wiederum, das Apolipoprotein A, ähnelt dem im Blut vorhandenen Plasminogen - der Vorform des Enzyms Plasmin. Diese Komponente kann zwar nicht wie Plasmin Blutgerinnsel auflösen, aber sie vermag sich an deren Hauptbestandteil - das Fibrin - anzulagern.

Demnach könnte die biologische Rolle von Apolipoprotein A darin bestehen, die Wundheilung zu fördern. Denn damit eine durch Fibrin zunächst nur abgedichtete Wunde verheilt, müssen sich die umliegenden Zellen rasch durch Teilung vermehren. Dabei werden für die

neu zu bildenden Zellmembranen große. Mengen Cholesterin gebraucht. Als cholesterinreiches Teilchen, das sich an das Fibrin des Wundschorfes zu binden vermag, sollte Lipoprotein A den Membranrohstoff genau zur rechten Zeit am richtigen Ort abliefern.

Seine pathologische Wirkung wäre dann, wie Prof. Richard M. Lawn von der Universität Stanford (Kalifornien) im August-Heft von Spektrum der Wissenschaß darlegt, ein fataler Nebeneffekt dieser sinnvollen Funktion. Die arteriosklerotischen PIaques in verengten Blutgefäßen bestehen nämlich ebenfalls großenteils aus Fibrin. Deshalb lagert sich Lipoprotein A auch an sie an und hindert so das Plasmin daran, die PIaques aufzulösen. Außerdem kann es wie LDL in oxidierter Form Freßzellen, die als Bestandteil des Immunsystems mikroskopisch kleinen Unrat im Körper beseitigen, in fettgefüllte Schaumzellen umwandeln, die leicht in Blutgefäßen stecken bleiben und dann durch Abgabe von Wachstumshormonen bewirken, daß sich die Arterienwand verdickt.

All diese negativen Wirkungen haben in der Geschichte der Menschheit vor unserer Überflußgesellschaft keine oder fast keine Rolle gespielt. Erst neuerdings können wir uns so fettreich ernähren - und viele tun das auch -, daß das Cholesterin zum Problem wird. In der Evolution aber überwog die günstige Rolle von Lipoprotein A bei der Wundheilung.

Leider gibt es bisher praktisch keine Behandlungsmöglichkeiten, Medikamente und Maßnahmen, die den Cholesterinspiegel senken, haben keinen Einfluß auf die Konzentration von Lipoprotein A. Herzspezialist Lawn empfiehlt daher Personen mit hohen Lipoprotein-A-Werten, wenigstens die anderen bekannten Risikofaktoren zu meiden.

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