Werbung

Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Die Äktschen war echt steil“

  • Lesedauer: 3 Min.

Ohne die Kinder ging auf dieser Märchenbühne vom „Rotkäppchen“ rein gar nichts. Sie buhten den bösen Wolf aus oder schrien „Weiter! Weiter! “, als der Vorhang - er trat in persona auf - sich weigerte, hochzugehen, sich gar zur Behauptung verstieg, daß Kinder nicht ins Theater gehörten, trampelten die aus Protest. Von zwei Clowns zum Mitmachen animiert. Am Ende ruderten sie nur noch mit Armen und Beinen, denn was ist eine geschulte Schauspielerstimme gegen dreihundert Kinderkehlen?

Diese Turbulenzen und eine artistische Ensembleleistung erlebte man bei „Rotkäppchen“ im Berliner carrousel Theater an der Parkaue. Peter Schroth, der Regisseur, hatte sich die Musical-Version der einstigen Polit-Rocker von Floh de Cologne ausgewählt, die auf einem Stück von Jewgeni Schwarz beruhte. Der Knirps Alexander, der neben mir saß und unentwegt die Aufführung kommentierte, fand „eigentlich“ alles wie im Märchen. Neu waren ihm allerdings der ängstliche Hase, die hübsche Natter und der vernaschte Bär, die Rotkäpp-

chen gegen den Wolf helfen sollten. Mißtrauisch beobachtete er den Fuchs, der Rotkäppchen an den Wolf verriet. Einen Riesenspaß hatte er an einer Handvoll Hasen-Winzlingen, die gegen den dickwanstigen Förster demonstrierten und lautstark protestierten, daß er die Großen stets laufen läßt, die Kleinen aber immer gleich einsperrt. Als der Förster sich gezwungenermaßen zur vielbejubelten Rettungsaktion bequemt, kommentiert., der ? Knirps neben mir: „Die Äktschen war echt steil.“

Was weiß der Kleine von den 68ern, und was weiß er vom linken Polit-Rock ä la Floh de Cologne, der hier zu klangvollem, gesetztem Musikantentum besänftigt wurde (musikalische Einrichtung Gunter Krex). Geschichte? Geschichte. Und doch war die Wahl dieser Version gut und die Äktschen steil. Rotkäppchen (Chiaretta Schörnig) rockte blänkäugig und leichtfüßig durch den spitzkegeligen Wald (Ausstattung Bernhard Schwarz), in dem der turnhüpfende Angsthase seine Pirouetten einarmig drehte (Sabastian Reusse). Der Fuchs

(Jörg Seyer) war ein Ausbund an List, und sogar die kranke Oma (Erika Sieger) twistete vergnügt vor ihrem Häusle, bevor sie verspeist wurde und im wölfischen Underground weitermachte. Alles turnte und zappelte kunstvoll (Bewegung Ute Kobrow), wie es bei Peter Schroth Brauch ist. Nur Ortwin Spieler sängspielte ganz einfach den bösen Wolf und wurde, wenn man ihn gerade mal nicht auspfiff, sehr gut verstanden.

Dieses artistische Zappeltheater nach Musik ist von starker Originalität, hat aber seinen Preis: Man sieht viel, versteht aber nicht allzu viel, selbst dort, wo die beiden Clowns (Thomas Pötzsch, Wesselin Georgiew) den Saal gerade mal nicht zum Sieden bringen, die Kinder also zuhören wollen. Das reduziert den sozialen Touch des Stückes und vertilgt manche sinnreiche Textreplik vom „Mut und der Einigkeit und der Freundschaft“, die in der Gefahr helfen. Was die Kinder gewiß mit nach Hause nehmen sollten. Ein großer Theaterspaß war es allemal.

KLAUS PFUTZNER

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.