- Politik
- .URSACHE Streit um Privilegien „unserer“ Beamten
Staat und Bürger
Da ist also tatsächlich einem nach Übersee versetzten deutschen Beamten die Möbelfolie von der Schrankwand gefallen. Wegen der höheren Luftfeuchtigkeit als in Bonn-Bad Godesberg. Man stelle sich nur vor, „der Staat“ - also Sie und ich - wäre nicht dafür aufgekommen. Da hätte doch der arme Mann am Ende selbst neue Möbel oder die Beiträge für eine Hausratsversicherung bezahlen müssen. Aus eigener Tasche! - Kinkels Traum von einem ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsraum war' von vornherein erledigt.
Nein, so richtig lustig war der am Dienstagabend geführte Fernseh-Streit um die Privilegien dieser Spezies Staatsdiener wirklich nicht. Weil deren Abgesandte mit einer Ausnahme das in der Öffentlichkeit kursierende Zerrbild eher noch zu übertreffen versuchten. Da verteidigte Oberamtsrat Kurt Kleff vom Bundesfinanzministerium vehement den geforderten Luxusumzug Bonn-Berlin. Ein Betriebshandwerker, dessen Firma aus Berlin verlagert wird, entgegnete ihm: „Ein Arbeiter zieht um, um überhaupt einen Job zu bekommen.“ Und als der Betriebsrat sagte: „Wenn ich zu meinem Chef gehe und eine Zulage verlange, dann schmeißt der mich glatt raus“, sagte Beamter Kleff zynisch: „Recht hat er!“
Dieser Herr meinte übrigens, ihn werde der Umzug ohnehin nicht betreffen, da er, jetzt 58, ja in vier, fünf Jahren ohnehin in Pension gehe und bis dahin ja notfalls per „Shuttle“ zur Arbeit fliegen könne. Kostenpunkt: 400 DM - pro Tag. Für den Steuerzahler in Kohls j,Freizeitpark“
Da klagte die Gattin eines für 18 Monate aus Mari nach Ossitanien geschickten „Leihbeamten“ über die familiäre Hektik am Wochenende, weil der liebe Mann freitags erst spät nach Hause kam. Und war entgeistert, als ein Arzt sie fragte, wie wohl der Frau eines Schauermanns zumute sei, der sein Leben lang Nacht für Nacht im Hafen malocht.
Da forderte Hannelore Pfeil, ebenfalls aus dem Hause Waigel, daß vor ihrem Dienstantritt an der Spree selbstverständlich ihre Wohnung bereitstehen müsse. Sonst könne sie ja gar nicht mit vollem Einsatz arbeiten. Und darauf habe der Bürger ja schließlich Anspruch...!
Kein Wunder, daß da mancher zu radikalen „Lösungen“ neigt: Einfach das Berufsbeamtentum abschaffen. Martin Wood, Personaltrainer von Beruf, sagte in der Sendung: „Das System als solches ist marode und gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Hermann Hill, Professor für Verwaltungsrecht, riet zunächst dazu, den Umzug nach Berlin zu nutzen, um die 6,6 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf die Zahl zu reduzieren, die wirklich gebraucht wird. Zehn Bundesministerien würden ja wohl auch reichen.
Mit Sicherheit. Nur müßte man da das herrschende (Miß)Verständnis von der Rolle des Staates beseitigen. Auf dem Berliner CDU-Parteitag hat Wolfgang Schäuble klar gemacht, was er davon hält: Nicht der Staat(sapparat) soll den Bürgern dienen, die ihn ja finanzieren, sondern die Bürger gefälligst denen, die ihn sich angeeignet haben. Gelernte DDR-Bürger kennen das.
CLAUS DUMDE
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.