Zittauer Gehälter-Affäre nimmt kein Ende
Landrat Stange (CDU) harrt auf seinem Posten aus/Ein Ausschuß soll nun die Rechtsverstöße aufklären
Was können wir dafür, wenn Gott nicht aufpaßt?
Karikatur Wolf Schrader
Von MARCEL BRAUMANN, Dresden
Landrat Volker Stange, Chef des Landkreises Löbau-Zittau, gibt keine Interviews mehr. Denn immerhin befindet sich der CDU-Politiker, so begründet sein persönlicher Referent gegenüber ND die Schweigsamkeit, gleich zweifach in einem schwebenden Verfahren. Die Staatsanwaltschaft führt ein Ermittlungs-, das Regierungspräsidium ein Disziplinarverfahren durch. Der frühere Zittauer Landrat und derzeitige Innenminister von Sachsen, Heinz Eggert (CDU), fordert Stanges Rücktritt, und der Angegriffene setzt sich mit anwaltlicher Hilfe Peter-Michael Diestels zur Wehr.
Gestern benannten die Fraktionen im Kreistag ihre Vertreter für einen Ausschuß, der die Mitwirkung weiterer leitender Mitarbeiter des früheren Landratsamts Löbau an Rechtsverstößen aufklären soll. Eine Mehrheit des Kreistages hatte zwar für Stanges Absetzung per Bürgerentscheid votiert, doch die erforderliche Dreiviertelmehrheit war nicht zustandegekommen. Eggert wünscht sich den Sturz Stanges auf plebiszitärem Weg.
Die CDU ist gespalten, im ehemaligen Kreis Löbau, aus dem Stange kommt, halten die Parteifreunde eher zu ihm, in Zittau regt sich dagegen offener Widerspruch. Da wirken auch landestypische Spannun-
gen mit hinein, die etwas mit verordneten Kreis-Zusammenschlüssen zu tun haben.
Ob das Volk Stange stürzen würde, ist ohnehin fraglich. Denn mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten müßten ihn abwählen. Und im einstigen Kreis Löbau kann Stange nach Einschätzung örtlicher Beobachter durchaus auf Mitleidseffekte rechnen. Der Streitgegenstand - zuviel gezahlte Gehälter in Höhe von insgesamt 165 000 Mark an Stange und sechs führende Mitarbeiter im Altkreis Löbau - veranlaßte Bündnis 90/Grüne und SPD zu Anzeigen wegen Bereicherung im Amt. Die PDS, von Stanges Schuld überzeugt, wollte gleichwohl „nicht als Trittbrettfahrer Zittauer und Löbauer Streitigkeiten“ auftreten, wie Kreisvorsitzender und Kreisrat Gerold Polentz auf ND-Anfrage mitteilte.
Für Polentz ist klar: „Der Landrat hat den Kreistag bewußt umgangen und, protokollarisch nachweisbar, belogen.“ Leider würden im Kreistag berechtigte Anwürfe gegen den CDU-Politiker „hochgewuchtet aus regionalpolitischen Motiven“ - und zur Schlammschlacht auch innerhalb der CDU. So hat CDU-Fraktionschef Albrecht Ludwig im Gespräch mit dieser Zeitung den Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Alexander Donner, ob seiner „Sachlichkeit“ gelobt. Minister Eggert hat dagegen inzwischen vor allem ein sach-
liches Problem: das kräftige Sitzfleisch des Landrats, dem das Kommunalwahlgesetz eine schier unerschütterliche Stellung gibt. So fällt der CDU die Machtfülle eines Menschen auf die Füße, die sie in der Erwartung wollte, daß die mächtigsten Leute im Lande alle das richtige Parteibuch haben.
Stange hat wiederholt erklärt, ein Opfer „heilbarer Formfehler“ geworden zu sein und selbstverständlich Überzähliges zurückzuzahlen. So
wie auch Innenminister Eggert zwei Landrats-Gehälter zurücküberwies, die ihm trotz seines Wechsels in die Staatsregierung zugeflossen waren. Doch die Prüfberichte sprechen von einer Vielzahl weiterer Ungereimtheiten nicht nur bei der Umwandlung von Beschäftigungsverhältnissen innerhalb der Verwaltung im Zusammenhang mit der Kreisreform.
Verliert Stange irgendwann doch die Nerven und tritt ab,
gebe es wohl einen Interessenten aus der CDU für die Nachfolge: den bisherigen Zittauer Landrat Christian Neumann, der übrigens auch zuviel kassierte - fast 6000 Mark. Alexander Donner möchte statt einer Fixierung auf den Fall Stange vor allem die Differenz zwischen komfortablen Innenausbau der führenden Behörden und dem kargen Bittstellerdasein von Sozialhilfeempföngern verdeutlichen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.