Aus ideologischem Motiv SPD ausgespäht
DDR-Spionin zu 27 Monaten Haft verurteilt
Von HERBERT KLOSS, Düsseldorf
Zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten hat gestern das Oberlandesgericht Düsseldorf die frühere Referentin beim SPD-Parteivorstand, Ursula V (45), verurteilt. Die Bundesanwaltschaft hatte zwei Jahre und neun Monate Haft, der Verteidiger eine Bewährungsstrafe gefordert.
Der Vorsitzende des 4. Strafsenats, Klaus Wagner, warf der Spionin in der mündlichen Begründung vor, mit einer „gewissen Kaltblütigkeit“ 14 Jahre lang die SPD ausgespäht zu haben. Als Quelle „Udo“ habe sie „umfassend über die Finanzsituation der Partei auf Bundesebene“ die Meinungsbildung im Parteivorstand und Parteirat sowie bei der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) an das MfS berichtet. Ihre Informationen über den NATO-Doppelbeschluß, das Mißtrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982 und andere politische Themen wurden in der HVA-Auswertung jedoch nur als durchschnittlich eingeschätzt.
Ursula V war 1973 während einer Studienreise des sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) Bonn in der DDR von einem Führungsoffizier der Aufklärungsabteilung XV der MfS-Bezirksverwaltung Leipzig zunächst unter Legende angesprochen und 1975 auf
ideologischer Basis als Quelle „Udo“ zur inoffiziellen Mitarbeit verpflichtet worden. Aus organisatorischen Gründen wurde sie, wie der MfS-Offizier St. den BRD-Sicherheitsbehörden detailliert offenbart hatte, im November 1975 vom SPD-Referat der Hauptverwaltung Aufklärung als Perspektiv-IM übernommen. In den folgenden Jahren berichtete die geständige Angeklagte aus der Universität Bonn, der dortigen SPD, der Botschaft Libyens und der sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK).
Seit März 1981 bis zu ihrer Festnahme im September 1993 war sie Sekretärin beim SPD-Parteivorstand in Bonn. Obwohl sie nacheinander vier Schatzmeistern (Friedrich Halstenberg, Hans-Jürgen Wischnewski, Hans Matthöfer und Hans-Ullrich Klose) als Sekretärin gedient hatte, galt sie MfS-intern als wenig ergiebige Quelle. Sie berichtete überwiegend mündlich über Personalveränderungen und politischen Richtungsstreit im SPD-Parteivorstand.
Die „aus einem sozialdemokratischen Elternhaus stammende“ Juristin hatte immer ein „positives Verhältnis zum Antifaschismus der DDR“ Da sie materiell nicht interessiert war, wurden ihr pro Treff nur 200 bis 500 DM Auslagenersatz von den HVA-Instrukteuren erstattet. Die Angeklagte und ihr Verteidiger wollen das Urteil anfechten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.