Einladung zum Vorsprechen

Frankfurter Kabarett »Die Oderhähne« wurde 25 Jahre jung

  • Henry-Martin Klemt
  • Lesedauer: 2 Min.
Im Jahr der Biermannausweisung, 1976, beschloss der ökonomische Direktor des Kleist-Theaters, Alfons Linhofer, auch in Frankfurt müsse es ein politisch-satirisches Theater geben - und er gründete die »Feierabendbrigade Lach mit«. Der Titel war wörtlich gemeint. Die Akteure durften sich bei einer öffentlichen SED-Parteiversammlung erstmals dem Publikum zeigen und waren fortan Streitgespräch bei den Frankfurtern und jenen, die wussten, was gut für »unsere Menschen« war. Bald fanden die Vorstellungen im Theatercafé statt. »Auf eine Karte musste man ungefär so lange warten wie auf einen Trabbi«, frotzelt der heutige Kabarett-Chef Wolfgang Flieder. »Aber nur ein Programm war zeitweise verboten.« Gespielt wurden zunächst Nummern bekannter Kabaretts wie Distel, Pfeffermühle und Herkuleskeule. Zuweilen hatte die neue Sparte des Theaters mehr Besucher als das Schauspiel. Die heutige Spielstätte im Kabarettkeller Forststraße konnte 1981 bezogen werden. Als 1988 die Auflösung der »Oderhähne« drohte, trennten sie sich vom Kleist-Theater. 50 Programme kamen in dem Vierteljahrhundert auf die Bühne. 40 Schauspieler, 14 Regisseure und 27 Autoren wirkten daran mit. Mit einer Auslastung von über 90 Prozent ist das Brettl die erfolgreichste Kultureinrichtung der Stadt. In den wirtschaftlich schwierigsten Jahren meldeten sich die Kabarettisten in der Saisonpause arbeitslos, um ihren Verein nicht in den Konkurs zu steuern. Das Potsdamer Kulturministerium sah es mit Freude - und stellte die Förderung dieses Jahr ein. Die »Oderhähne« werden auch das überkrähen. Aus dem ganzen Land kamen, zum 25., Gratulanten und Mitstreiter, von Inge Ristock bis Klaus Lettke, von Dieter Lietz bis Gunter Reinecker. Elf der Gäste erhielten den »Goldenen Misthaufen« - die kabaretteigene Ehrung für »langjährige Mittäterschaft«. Johannes Greiner plauderte mit seinen Mitspielern darüber, was jeden von ihnen an die Oder verschlug. Wer wusste schon, dass Ingrid Krusche nicht nur Ballerina, sondern auch Rot-Kreuz-Beauftragte war, dass Margit Meller nur mal kurz einspringen wollte und inzwischen alle Zugschaffner auf der Strecke Berlin-Frankurt kennt, dass Dagmar Gelbke gerade ihre »Brutzelfibel« mit Rezepten unter anderem von Guido Westerwelle und Sahra Wagenknecht herausgebracht hat und dass Dieter Lietz einst den Weltsong von Frank Schöbel »Wie ein Stern« schrieb? Glückwünsche der Stadt überbrachte Kulturdezernent Martin Patzelt. Dem CDU-Kandidat für das Oberbürgermeisteramt überreichte Kabarett-Chef Flieder standesgemäß einen schwarzen Koffer im Streichholzschachtelformat. »Ich habe gelesen, die Stadt kann nicht einmal eine seit Wochen kaputte Ampel reparieren, weil sie keine müde Mark mehr hat. Das konnten wir nicht mit ansehen: Die müde Mark ist da drin.« Schließlich hat die Stadt ihre »Oderhähne« immer reichlich gesponsert. Vor allem mit Themen, wie Patzelt betonte.

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