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  • Kultur
  • Brief an die Präsidentin der Humboldt-Universität

... kann ich die Einladung nicht annehmen

  • Lesedauer: 2 Min.

Helga Wiener, Jahrgang 1927, gehörte zu den ersten Studenten der vor 50 Jahren wiedergegründeten Universität Unter den Linden in Berlin. Obwohl sie zu den Jubiläums-Feierlichkeiten eingeladen ist, hat Frau Wiener ihre Teilnahme

abgesagt. Die Westberliner Anwältin ist empört über den Text der Einladung, der faktisch alle Absolventen von DDR-Hochschulen als unqualifiziert degradiert. Nach dem Mauerfall hat Helga Wiener einige Kollegen aus der DDR kennen- und

Aus der Einladung der Universitäts-Präsidentin

schätzengelernt. Sie stellte uns ihre Antwort an die Uni-Präsidentin Marlis Dürkop zur Verfügung.

Sehr geehrte Frau Dürkop!

Ihre Einladung zum 50. Jahrestag der Wiedereröffnung

der Universität habe ich mit Dank erhalten. Der Inhalt Ihres Briefs von 5. Januar verbietet mir jedoch, der Einladung zu folgen.

Von einer „kommunistischen Einflußnahme“ habe ich während meiner Studien- und Gasthörerjahre (1946-1950) nichts bemerkt, es sei denn. Sie setzen jene mit Antifaschismus gleich. Der Sowjetischen Militäradministration danke ich noch heute; daß sie die Universität so bald nach dem Kriege gegen den Widerstand der westlichen Besatzer eröffnet und mit reichlichen Mitteln versehen hat.

Ihre Feststellung, daß die Universität in der DDR anders als früher strukturiert war, aber die Humboldt-Universität „inzwischen., auf dem besten Wege (ist), sich wieder zu einer leistungs- und konkurrenzfähigen Universität... zu entwickeln“, wertet die Leistungen der Hochschullehrer in den Jahren 1945 bis 1990 gegen alle bekannten Tatsachen zu einem Nichts ab.

Die Feier wird demnach nur dem Lob der z.Z. Einflußhabenden und der Verunglimpfung alles Früheren dienen. Das ist ungerecht, und deshalb kann ich die Einladung nicht annehmen.

Mit Hochachtung!

Helga Wiener

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