Punktsieg für John Kerry
Fernsehduell der USA-Präsidentschaftskandidaten von Irak dominiert
Trotz der Unkenrufe der Medien im Vorfeld standen beim TV-Duell nicht PR-Tricks, sondern das gesprochene Wort im Vordergrund. Mit bis zu 50 Millionen Fernsehzuschauern war es faktisch die bisher größte Wahlkampfveranstaltung vor dem Urnengang am 2. November. Eineinhalb Stunden lang beantworteten Präsident George Bush und sein Herausforderer Senator John Kerry auf dem Campus der Universität Miami außenpolitische Fragen des Fernsehjournalisten Jim Lehrer. Während zur Abendzeit zahlreiche TV-Networks das Geschehen live übertrugen, demonstrierten vor der Universität Hunderte von Kerry-Anhängern mit 76 mit Flaggen umwickelten Särgen - für jeden im September getöteten US-Soldaten im Irak - und zahlreichen Plakaten. »What's to debate? Bush lied, fire him« (Was gibt es da zu debattieren? Bush log, feuert ihn), konnte man zum Beispiel lesen.
Drinnen hielten sich die Kontrahenten an das Drehbuch, das seit einem halben Jahr von Strategen und Anwälten beider Wahlkampfteams in einem 32-seitigen Vertragswerk ausgehandelt worden war: keine Überraschungen, keine verhängnisvollen Ausrutscher, keine den einen oder anderen Kandidaten bevorteilende Kameraeinstellungen oder eine psychologisch beeinflussende Kleiderordnung. In der Tat vergaloppierten sich Bush und Kerry trotz einiger Versprecher nicht.
Das Debattenthema Außenpolitik und »homeland security« (Heimatschutz) war dominiert vom Irak-Krieg. Bush blieb dabei seinem Image als jovialer und souveräner Präsident treu, während Kerry, darum bemüht, seinen sechsprozentigen Umfragerückstand gutzumachen, angriff. »Der Präsident hat einen kolossalen Irrtum begangen«, so der demokratische Herausforderer zum Irak-Krieg. Kerry warf Bush vor, statt den wirklichen Angreifer der USA, Osama bin Laden, in Afghanistan zur Strecke zu bringen, das Land mit falschen Angaben in den Irak-Krieg geführt zu haben. Es gebe darüber hinaus keinen Friedensplan für die Nachkriegszeit. Die USA trügen heute »90 Prozent der Verluste und 90 Prozent der Kosten«. Er werde »den Irak-Krieg erfolgreich beenden«. Gleichzeitig machte sich Kerry aber für die Präventivschlagdoktrin der USA stark.
Bush verteidigte dagegen den Irak-Krieg. Die Welt sei ohne Saddam Hussein »sicherer«, sagte er. Kerry schwanke in seinen Positionen, die USA bräuchten aber eine verlässliche Führung. Mit seinen Aussagen sende der Demokrat falsche Signale an die Feinde Amerikas. Bush betonte, die USA würden unter seiner Führung im »Anti-Terrorkrieg« die Priorität auf Offensive setzen.
Ließen Bush und Kerry den Nahostkonflikt, Afrika und die Beziehungen zu Europa aus, so gingen ihre Meinungen über Nordkorea auseinander. Kerry befürwortet bilaterale Gespräche, Bush lehnt sie ab. In Sachen Iran sowie Sudan gab es kaum Abweichungen. Iran müsse mit diplomatischem Druck von der Atomwaffenproduktion abgehalten werden, und in Sudan setzen beide auf die »Afrikanische Union«.
Vor dem Duell hatte die »New York Times« die außenpolitischen Positionen der Kontrahenten abgeklopft und war zur Schlussfolgerung gekommen, dass es kaum Meinungsunterschiede gebe. Selbst beim Thema Irak würden die Differenzen nur in der Interpretation der Vergangenheit, kaum aber beim zukünftigen Vorgehen bestehen.
Nächster wichtiger Wahlkampftermin ist das Fernsehduell zwischen Vizepräsident Dick Cheney und Kerrys »team mate« John Edwards am 5. Oktober in Cleveland (Ohio). Drei Tage darauf debattieren erneut Bush und Kerry, und die dritte und letzte Politshow im Wahlkampf zwischen den beiden wird am 13. Oktober stattfinden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.