HERBERT KLOSS
Vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf begann der Prozeß gegen ein aus Westberlin stammendes Beamtenehepaar. Die heute 51jährige Barbara G. (Deckname „Nichte“) war 1973 während der Weltjugendfestspiele in Ostberlin aufgrund ihrer linken Jusoaktivitäten in der SPD von einem Mitarbeiter der HVA-Abteilung IX (Gegenspionage) angesprochen worden, der sie schon bald in den MfS-Zusammenhang einweihte. Da sie an der Fortsetzung der „politischen Gespräche mit DDR-Bürgern“ interessiert war, willigte sie ein und traf sich bis 1989 ein- bis zweimal jährlich in Restaurants bzw. einem konspirativen Objekt in Ostberlin.
Dabei sprachen sie über Friedenspolitik, Rüstung, Kindererziehung und Atomenergie. Aus ihrem Arbeitsbereich, einer EDV-Abteilung einer Landesbehörde, hat sie - wie selbst die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf einräumt - weder Unterlagen noch Personendossiers gelie-
fert. Einen Agentenlohn erhielt die geständige Frau nicht.
Nach der Einlassung des mitangeklagten 57jährigen Ehemannes Klaus W. (Deckname „Direktor“) wurde er 1984/85 von seiner Frau ohne Vorinformation zu einem Gespräch „mit früheren Bekannten“ in die DDR eingeladen. Dabei offenbarten sich die Herren als Offiziere der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Aus Angst vor der westdeutschen Justiz und aus Liebe zu seiner Frau traf auch er, ein aktiver linker Sozialdemokrat, sich fortan mehrfach bis August/September 1989 in der DDR und berichtete allgemein zugängliche Informationen aus der Technischen Universität. Auch er hielt die Verbindung zum MfS aus politischer Überzeugung und bekam keinen Agentenlohn. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn jedoch aufgrund von Akten des MfS, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz ausgewertet wurden, schon 1975 geworben worden zu sein.
1994 wurde das Ehepaar enttarnt und vorläufig festgenommen, befindet sich aber auf freiem Fuß.
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