Meinungsmacher mit Schlapphut

Geheimdienste, Politik und Medien - neues Enthüllungsbuch von Erich Schmidt-Eenboom

  • Klaus Eichner
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer das spannungsgeladene und widerspruchsvolle Beziehungsgeflecht zwischen Geheimdiensten, Politik und Medien untersuchen und darstellen will, der kann das aus theoretisch-philosophischer Sicht tun oder auf der Grundlage von sauber recherchierten und beeindruckend dokumentierten Fakten. Letzteres demonstriert Erich Schmidt-Eenboom mit seinem neuen Werk »Geheimdienst, Politik und Medien« eindrucksvoll. Obwohl es sich auf Materialien seines 1998 erschienen Buches »Undercover - Der BND und die deutschen Journalisten« stützt, geht es doch weit über diese Publikation hinaus - sowohl hinsichtlich der Quellenlage als auch der Breite und Neuordnung der untersuchten Sachverhalte, einschließlich einiger bedeutsamer Fälle mit CIA-Hintergrund. »Undercover« war seinerzeit heftig durch Medien attackiert und der Autor mit Klagen überzogen worden. Getroffene Hunde bellen. Kaum einer in der bundesdeutschen Medienlandschaft der 60er und 70er Jahre mit Rang und Namen, der nicht in irgendeiner Form im Kontakt mit dem BND stand. Wobei Schmidt-Eenboom sehr wohl Motive und Intensität der Zusammenarbeit differenziert wertet. Jetzt kann der Geheimdienstexperte mit neuen Dokumenten aufwarten, insbesondere aus dem Privatarchiv des früheren BND-Vizepräsidenten Dieter Blötz. Dieses ist ein Phänomen für sich. Es ist nicht verwunderlich, wenn ein Vizepräsident eines Geheimdienstes seine Aktivitäten durch Aktenvermerke dokumentiert. Verwunderlich bzw. unprofessionell erscheint es indes, wenn Durchschläge nicht im Safe des Geheimdienstes bleiben, sondern in einem Privatarchiv landen. Womit freilich sich dem sachkundige Rechercheur eine ergiebige Quelle auftut. Da Blötz als Vertrauensmann der SPD im BND - entgegen früheren Gewohnheiten - als Vizepräsident des Geheimdienstes selbst engste Kontakte zu Regierungskreisen in Bonn pflegte, enthält dieses Privatarchiv viele bedeutsame und entlarvende Vermerke. Zu erfahren ist von jahrzehntelangen illegalen Inlandaktivitäten des Auslandsnachrichtendienstes der Bundesrepublik, von »Pressesonderverbindungen« des BND, gezielter Überwachung der politischen Opposition im Lande sowie missliebiger Politiker und Journalisten, über die umfangreiche Dossiers angelegt worden sind. Das Spinnennetz der CSU-Seilschaften im BND war besonders dicht geknüpft, als Willy Brandt die »Neue Ostpolitik« verkündete und durchzusetzen begann. Mit höchstem Misstrauen und oft massiven Eingriffen in politische Entscheidungsfindungen wurde versucht, die Bemühungen um Entspannung zu torpedieren. Ein besonders beredtes Beispiel der illegalen Inlandsaufklärung wird im Kapitel über die nachrichtendienstliche Überwachung des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann und seines privaten und politischen Umfeldes gegeben. Heinemanns christlich fundierter Widerstand gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, sein Drängen auf eine ernsthafte Prüfung der sowjetischen Initiativen von 1952 für eine Wiedervereinigung Deutschlands, seine Warnung vor einem blinden Antikommunismus und nicht zuletzt seine Bemühungen um eine anwaltschaftliche Vertretung von Kommunisten nach dem KPD-Verbot in der Bundesrepublik alarmierten bereits die Schlapphüte in der damaligen »Organisation Gehlen«, aus der später der BND hervorging. Verdienstvollerweise macht Schmidt-Eenboom auf parallele oder ähnliche Aktivitäten der CIA aufmerksam, vom Wirken des Congress of Cultural Freedom (CCF, Kongress für die Freiheit der Kultur), über die öffentlich, aber nur zum Teil, eingestandene Agententätigkeit der Journalistin Carola Stern bis hin zur Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM). Beleuchtet werden des weiteren vor geheimdienstlichem Hintergund illegaler Waffenschmuggel und die Unterstützung des Irak unter Saddam Hussein durch die Lieferung von Ausrüstungen für die Giftgasproduktion. Mit seinen Recherchen im Privatarchiv von Blötz, in Teilen des Nachlasses des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes Günter Nollau und vielen anderen »amtlich geheimen« Beständen kann Schmidt-Eenboom außergewöhnliches und authentisches Faktenmaterial offerieren. Akribisch hat er die Fälle und Vorgänge studiert. Sein Buch ist gespickt mit Tausenden von biografischen und operativen Details, was mitunter den Lesefluss etwas erschwert. Nichtsdestotrotz ein spannendes, kurzweiliges, lehrreiches und informatives Buch. Erich Schmidt-Eenboom: Geheimdienst - Politik und Medien. Kai Homilius Verlag, Berlin 2004. 401S., geb., 24,80 EUR.

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