Der Duden und die »Neger«
Diskriminierende Töne im neuen Rechtschreiblexikon Von Günter Haverkamp
Der neue Rechtschreibduden wurde nicht nur durch die Rechtschreibreform geändert. Kurz vor Drucklegung ereignete sich eine leichte Gehirnerschütterung im altehrwürdigen Dudenhaus. Auf der buchbegleitenden CD-ROM fanden sich rassistische Untertöne.
Laut der ursprünglichen Version der gemeinsam von Duden und Microsoft herausgegebenen LexiROM sind Schwarze »Neger«. Entsprechend war die »Black Power« die »Bewegung nordamerikanischer Neger gegen Rassendiskriminierung«. Welch sinnvolle Beschreibung einer Protestbewegung, deren Ziel unter anderem die Abschaffung der kolonialistischen Bezeichnungen war. Bernadette Calasse, Mitglied der »Initiative Schwarze Deutsche«, protestierte beim Duden dagegen, daß an keiner Stelle der Hinweis zu finden war, daß das Wort »Neger« abwertend ist.
Nur widerwillig änderte der Duden die inkriminierten Passagen in dem jetzt vorliegenden Rechtschreiblexikon. Allerdings fielen die Korrekturen halbherzig aus. Hinter »Neger« steht jetzt die Umschreibung »auch verächtlich«. Das, so meint Bernadette Calasse, sei schlicht falsch. Dieses Wort werde immer in einer abwertenden Absicht verwendet. Es gebe nicht ein einziges Beispiel dafür, daß es in positiver, nicht herabsetzender Weise eingesetzt werde. Für Professor Siegfried Jäger, Gründer und Leiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, fehlt den Machern des Duden denn auch »die sprachliche Sensibilität«.
Sein Kollege, der Dortmunder Literaturwissenschaftler Professor Jürgen Link, hält die Vorgehensweise des Duden für
unwissenschaftlich. Der Begriff Neger sei seit spätestens dem 19. Jahrhundert »fest verbunden mit der Vorstellung einer hierarchischen Stufenleiter von sogenannten Rassen«, wobei eine Farbskala eingesetzt werde: »Weiß ist oben, dann gibt es Abtönungen, es wird immer farbiger und schwarz ist unten.« Das habe mit dem Vulgärdarwinismus zu tun, der im 19. Jahrhundert stark verbreitet gewesen sei, betont Link.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.