- Politik
- Schriftsteller Frank Weymann auf der Autobahn verunglückt
Schrecken und Ermunterung
Frank Weymann
Foto WeymannBauer Verlag Rostock
Als ich am Dienstagmorgen im Autoradio die Nachricht von dem schweren Verkehrsunfall auf der A 19 nahe der Abfahrt Röbel hörte, bei dem ein Tanklastzug explodierte und es mehrere Todesopfer gab, wußte ich es noch nicht: In einem der ausgebrannten Fahrzeuge hatte ein Mensch gesessen, den ich kannte. Der Schriftsteller Frank Weymann hatte wohl in Berlin zu tun gehabt - gewiß hing es mit seinem neuen Verlag zusammen - und war auf dem Weg zurück in seine Heimatstadt Rostock. Da ist es ge-
schehen. Wie schnell sowas geht, wie plötzlich; jedem droht es, in jedem Moment.
Wenn ich sage, daß Frank Weymann gerade jetzt in einer sehr produktiven Lebensphase war, stimmt es insoweit, als er immer schon viel schaffen wollte. »Bei mir ist es wahrscheinlich so, daß mein Motor ein wenig hochtourig laufen muß«, sagte er 1981 in einem Interview mit dem Sonntag. Das mag heute makaber klingen. Aber sein Tod hatte nichts mit seiner Lebenssicht zu tun.
Ich habe ihn erst 1992 persönlich kennengelernt, als er zusammen mit dem Graphiker Peter Bauer einen Verlag ge-
gründet hatte - zunächst auch für seine eigenen Bücher, für die er, wie so viele andere Autoren, nach der Wende keinen Verlag mehr fand. Doch dann kamen ihm noch eine ganze Menge anderer guter Ideen für Publikationen. Und in diesem Jahr habe ich ihn sofort angerufen, als ich sein neues Verlagsprogramm in der Hand hielt, ein schön gestaltetes Heft von 28 Seiten, und habe ihm gewünscht, daß »Das Fan-Buch Hansa« von Wolfgang Dalk ein Bestseller würde. Dessen war er sich auch ganz sicher
Ein erfülltes Leben, sage ich mir nun. Am 23. September 1948 in Leipzig geboren, hatte er in Rostock Medizin stu-
diert und ist als Facharzt für Innere Medizin jahrelang zur See gefahren. 1978 erregte er mit seinem ersten Erzählungsband Aufsehen: In »Das Erbe« zeigte sich schon sein Talent, mit genauem Blick fürs Detail Situationen zu schildern und Menschen darzustellen, die durch ihre persönlichen Erfahrungen geprägt sind. Auch in späteren Büchern, wie »Das dunkle Zimmer«, zeigte sich sein genaues Gespür für Bauchschmerzen seelischer Art, für Schäden durch das Entbehren von Geborgenheit. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch an seinen Text »Drei Betrachtungen zur Armut«, den Frank Weymann im März
1991 im ND veröffentlichte. Auf eindrucksvolle Weise beschäftigte er sich da mit den neuen Ängsten, dem »Armutswahn« und setzte dagegen den Mut, »über die niedrigste Stufe nachzudenken, auf die wir persönlich sinken könnten, wenn der Lauf der Ereignisse den Weg unserer Befürchtungen nimmt«. Jeder müsse »seinen sauren Apfel in der Tasche haben, in den er notfalls beißen kann« da merkt man beim Lesen, wie er sich selbst beim Schopf gepackt hat. »Schwierigkeiten haben, ist normal«, so zitiert er in seinem neuen Verlagsprogramm aus einem Handbuch für Frontsoldaten. »Schwierigkeiten haben mich auf den richtigen Weg gebracht. Daher sollte ich ihnen dankbar sein...«
Wenn ein Schriftsteller tot ist, sagt man gewöhnlich, daß seine Bücher bleiben. Frank Weymann .hat eine ganze Reihe von Erzählungen, Hörspielen, Kinderbüchern, Reportagebänden verfaßt. Was er noch hätte schreiben können mit seinen 48 Jahren, das wird fehlen. Aber was sind schon Texte im Vergleich mit einem Menschenleben voll Güte und Tatkraft, von dem für andere so viele Ermunterungen ausgegangen sind.
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