In Jakarta soll eine erste Geberkonferenz die Not- und Wiederaufbauhilfe nach der Flutkatastrophe in Südasien koordinieren.
Die Vereinten Nationen organisieren die größte Hilfsaktion ihrer Geschichte und sogar das wahrlich arme Nordkorea (150000 Dollar), die Staaten der Afrikanischen Union (100000 Dollar) oder das selbst stark betroffene Indien (eine Million Dollar) wollen Geld geben, um Millionen Menschen in Südasien nach der Flutkatastrophe mit Trinkwasser, Essen und Medikamenten zu versorgen. Die Zusagen liegen nach UN-Angaben zwischen zwei und drei Milliarden Dollar (1,5 und 2,2 Milliarden Euro). Mit dieser Rekordsumme rivalisieren die reichen Länder auf der heute beginnenden ersten Geberkonferenz aber auch regelrecht um eine führende Rolle beim humanitären Großeinsatz.
Zu der Konferenz werden nicht etwa Vertreter der zuständigen Fachressorts erwartet, sondern hochrangige politische Kräfte aus 23 Staaten, darunter UN-Generalsekretär Kofi Annan, US-Außenminister Colin Powell, die Regierungschefs von Australien, Japan, China und Neuseeland. In Jakarta geht es nicht nur um die effektivere Koordinierung humanitärer Hilfe.
Die Präsenz eines US-Flugzeugträgerverbandes vor der Küste Acehs und die Beteiligung des australischen Militärs an den Hilfsmaßnahmen in dem bis vor zehn Tagen hermetisch abgeriegelten indonesischen Kriegsgebiet etwa gebe Anlass zu mancherlei Spekulationen, meint Alex Flor von »Watch Indonesia!«. Auch Bundeswehrsoldaten werden nach Sumatra geschickt, so wie Militär aus Südkorea, Neuseeland, Indien oder Pakistan. Wie werden die indonesischen Streitkräfte auf so viel ausländische Militärpräsenz reagieren, fragt Flor und erinnert an den Fall Ost-Timor.
Es sei dahingestellt, »ob die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser von der USS Abraham Lincoln eher als weltpolitische Symbolik, als Zeichen der Annäherung der US-Streitkräfte an Indonesien oder gar als Warnsignal zu deuten ist. Zwei Dinge sind klar: Hilfsmaßnahmen dieser Größenordnung sind nicht frei von politischen Interessen und werden politische Auswirkungen haben.«
UNO und USA, USA und »altes Europa«, Japan und China als regionale Führungsmächte - die internationale staatliche Fluthilfe hat nicht allein selbstlose Motive, sie ist ebenso von Machtinteressen geprägt, geostrategischen, wirtschaftlichen, finanziellen. Washington macht kein Hehl daraus, dass man sich u.a. gesteigertes Ansehen in der islamischen Welt verspricht. Die inzwischen versprochenen 350 Millionen Dollar sollen den Muslimen und »dem Rest der Welt die amerikanische Großzügigkeit und amerikanische Werte in Aktion« zeigen, betonte der scheidende Außenminister Colin Powell in Jakarta. Die Wirtschaftsmacht Deutschland hat bei ihren deutlich erhöhten Zusagen nicht zuletzt den angepeilten ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat im Auge. Frankreich beansprucht die Rolle des EU-Koordinators und damit Führerschaft in der Union. Japan ist größter Investor und wichtigster Handelspartner Indonesiens, das einen Schuldenberg von 131 Milliarden Dollar angehäuft hat. Australien als Nachbar setzt sich mit der gestern angekündigten 578-Millionen-Euro-Hilfe an die Spitze der Geberliste.
Die USA wollen bei der Hilfsaktion wie in Sachen Irak die UNO am liebsten mit einer Nebenrolle bescheiden und haben eine »Koalition« mit Australien, Japan und Indien unter eigener Regie angekündigt. Aber nicht nur das sieht man im UN-Hauptquartier mit Sorge. Hilfskoordinator Jan Egeland mahnte alle Geberländer, ihre milliardenschweren Zusagen auch schnell zu erfüllen, und erinnert an die Erdbebenkatastrophe in der iranischen Stadt Bam vor einem Jahr. Von den versprochenen Summen sind viele niemals geflossen.
Nichtregierungsorganisationen wiederum fordern dringlich eine besserer Koordinierung der Hilfslieferungen und warnen vor der Gefahr, dass Gelder jetzt in dunklen Kanälen der mächtigen einheimischen Clans versickern. Sie mahnen eine stärkere Einbindung von Gruppen an, die Erfahrung in nachhaltiger Entwicklungshilfe haben und über solide Partnerstrukturen vor Ort verfügen, wollen auf Geberkonferenzen mit eigener Stimme vertreten sein. Und sie verlangen langfristige Perspektiven für Hilfe und Wiederaufbau, wozu auch ein Schuldenerlass gehören sollte.
In der UNO denkt man jetzt nicht nur über die Einrichtung eines Frühwarnsystems im Indischen Ozean nach. Jan Egeland fordert als Lehre aus den jüngsten apokalyptischen Ereignissen auch »mehr und klarere Bereitschaftsdienst-Abkommen« mit den UN-Mitgliedstaaten, um künftig schneller auf Naturkatastrophen reagieren zu können.